Kleinbahn AG Ziesar - Groß Wusterwitz (KZG)

Kleinbahn AG Groß Wusterwitz - Ziesar - Görzke

Ziesarer Kleinbahn AG

    

Strecke Wusterwitz - Ziesar in einer Landkarte von 1953, die Stichstrecke von Rogäsen nach Karow war trotz Stilllegung noch immer eingezeichnet, Foto: Slg H. M. Waßerroth

  

Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden in Deutschland wie ein Netz immer mehr Eisenbahnlinien, die als Hauptbahnen die wichtigen Zentren miteinander verbanden. Von Berlin gingen diese Linien strahlenförmig aus. Das dazwischen liegende Land blieb unberücksichtigt, blieb von den sich entwickelnden Verkehrsströmen abgekoppelt. Schon bald zeigte sich, dass ein Bahnanschluss wirtschaftlichen Aufschwung bedeutete. Nur äußerst selten entstanden Nebenbahnen, um die weiten Maschen des Eisenbahnnetzes zu verkleinern. Mit der Schaffung der Möglichkeit gegen Ende des 19. Jahrhunderts, auch Bahnen untergeordneter Ordnung und in vereinfachter Anlage zu bauen, schlug die Stunde der sogenannten Kleinbahnen. Viele bisher nicht von der Eisenbahn erschlossene Gegenden sahen nun ihre Chance, durch den Bau einer Kleinbahn an das Eisenbahnnetz angeschlossen zu werden und so auch mehr am wirtschaftlichen Aufschwung teil zu haben.

1896 erhielt die Töpferstadt Ziesar mit den Bahnhöfen Ziesar West und Ziesar Ost über die schmalspurigen Kleinbahnen des Kreises Jerichow I (KJI) in Burg bei Magdeburg einen Anschluss an die Berlin - Magdeburger Eisenbahn. Ziesar orientierte sich aber mehr nach Brandenburg. Zwar sollte die KJ I über Ziesar hinaus über Wenzlow nach Brandenburg weitergeführt werden, dieses Vorhaben wurde trotz einiger Vorarbeiten (Planierungen und Brückenbauten) aber alsbald aufgegeben. Man war in Ziesar nicht sonderlich zufrieden mit seinem Eisenbahnanschluss. Burg war weit entfernt und das brachte bei einer Schmalspurbahn lange Fahrzeiten und das lästige Umladen der Güter.

Im Sommer 1898 begannen im nahen Genthin durch das Eisenbahnbauunternehmen Lenz & Co die Bauarbeiten für die Kleinbahnen von Genthin nach Schönhausen und nach Milow der "Genthiner Kleinbahn AG" (GeK). In Ziesar wurde dieser Bau mit großem Interesse verfolgt. Als dann diese Bahnen die in sie gesetzten Erwartungen erfüllten und bereits nach kurzer Zeit einen Betriebsüberschuss erwirtschafteten fiel in Ziesar, damals zum Kreis Jerichow II gehörend, der Entschluss, sich ebenfalls für den Bau einer normalspurigen Kleinbahn einzusetzen. Dem Antrag auf Konzession einer Kleinbahn von Großwusterwitz (damaliger Name für Wusterwitz) über Rogäsen nach Ziesar wurde mit Urkunde vom 08.06.1901 stattgegeben. Bereits am 21.05.1901 gründete man die "Kleinbahn AG Ziesar - Groß Wusterwitz" mit einem Stammkapital von 852.000 Mark. Mit dem Bau und Betrieb wurde ebenfalls die Firma Lenz & Co beauftragt.

  

Der frühere Bahnhof Ziesar zur Betriebseröffnung am 01.10.1901 vom Dach des Lokschuppens gesehen,

Foto: unbekannt, Slg: F. Barby †

    

Die vorhandene Topografie stellte für den Bahnbau keine großen Probleme dar. Zwischen Warchau und Rogäsen musste das Wusterwitzer (Gollwitzer) Höhenland, heut als Karower Platte bezeichnet, welches die umgebenden Niederungen in Spitzen bis zu mehr als 30 Meter überragt, überwunden werden. An seinen Rändern waren in den Rampen längere Dämme und Einschnitte erforderlich.

   

Personenzug von Großwusterwitz im Einschnitt bei Warchau Anfang zweite Hälfte der 1960er Jahre,

Foto: unbekannt, Slg. H.M.Waßerroth

  

Personenzug von Großwusterwitz im Einschnitt bei Rogäsen um 1910, Foto: unbekannt, Slg Kreismuseum Genthin

   

Aufnahme aus einem Personenzug Richtung Wusterwitz, gezogen von einer Lok der BR 24,

nahezu an der gleichen Stelle 55 Jahre später, am 03.07.1965 aufgenommen,

Foto: H.-J. Bürger †, Repro Slg. H. M. Waßerroth

   

Bahnhof Warchau kurz nach Betriebseröffnung, Foto: unbekannt, Slg H. M. Waßerroth

  

Das südlich der Hochfläche gelegene Fiener Bruch wurde mittels eines langen Dammes durchquert und der etwa in der Mitte verlaufende Hauptgraben mit einer Stahlträgerbrücke, dem größten Kunstbau der Strecke, überbrückt. So konnte die gesamte 15,4 km lange Strecke bereits am 01.10.1901 für Personen- und Güterverkehr in Betrieb gehen. Der Endbahnhof Ziesar entstand am nördlichen Stadtrand an der Straße nach Bücknitz kurz vor den KJ I-Gleisen des Bahnhofes Ziesar Ost, von dem die KJ I mit einem Überladegleis anschloss. Der Bahnhof Ziesar war mit einem repräsentativen Bahnhofsgebäude der Betriebsmittelpunkt der Kleinbahn. Somit hatte Ziesar nun 3 Bahnhöfe, "Ziesar West" und "Ziesar Ost" in Schmalspur und "Bahnhof Ziesar" in Normalspur.

   

Planung zur Anlage des neuen Bahnhofs Ziesar mit Achse des Hauptgleises und der Gebäude für den Bahnhof der Kleinbahn vor dem Bahnhof der Schmalspurbahn im Jahr 1901, Slg H. M. Waßerroth

  

Der frühere Bahnhof Ziesar zur Betriebseröffnung am 01.10.1901, Slg: F. Barby †, Foto: unbekannt

     

Erster Fahrplan für die Kleinbahn von Großwusterwitz nach Ziesar von 1901,

Quelle:  Landesarchiv Sachsen-Anhalt Magdeburg,  Slg: H. M. Waßerroth

      

Im Geschäftsjahr 1902/03 wurden 30.938 Personen und 133.387 t Güter befördert.

Bald dachte man über Streckenerweiterungen nach. Vor allem die keramischen Betriebe und die Land- und Forstwirtschaft in Görzke hatten großes Interesse an einem Bahnanschluss. So beschloss man auf der Versammlung am 27.06.1910 die Verlängerung der Kleinbahn von Ziesar nach Görzke und die Erhöhung des Stammkapitals um 619.000 Mark. Außerdem wurde die KZG in "Kleinbahn AG Großwusterwitz - Ziesar - Görzke" umbenannt. Am 11.08.1911 war die Eröffnung der 12,5 km langen Streckenverlängerung. Der Bahnhof Görzke erhielt neben einem massiven Bahnhofsgebäude mit Güterschuppen ebenfalls einen zweiständigen Lokschuppen mit den entsprechenden Anlagen. Bis zur Übernahme durch die Deutsche Reichsbahn waren hier zwei Lokomotiven stationiert.

Wegen des Weiterbaues der Strecke nach Görzke musste die KJ I ihren Endbahnhof "Ziesar Ost" um 300 m zurück verlegen. Ein neuer Endbahnhof der Schmalspurbahn mit Bahnsteig, Ladestraße und neuem Überladegleis wurde nördlich des Normalspurbahnhofes gebaut, außerdem gab es noch ein Anschlussgleis zu einer Kohlenhandlung.

   

Bahnhof Ziesar nach der Streckenverlängerung, in diesem Zusammenhang erhielt der Bahnhof kleinere Veränderungen,

Foto: Bestand Haack, Genthin, Quelle: Slg. Kreismuseum Jerichower Land, Genthin

   

Bahnhof Görzke kurz nach Eröffnung der Streckenverlängerung, Foto: unbekannt, Slg Kreismuseum Genthin

 

Bahnhof Rogäsen 1910 mit Zug nach Ziesar, vor der Erweiterung, Foto: unbekannt, Slg H. M. Waßerroth

   

Kurze Zeit vorher beschlossen die Aktionäre auf Betreiben von Graf v. Wartensleben den Bau der Stichbahn von Rogäsen nach Karow und die damit verbundene erneute Erhöhung des Stammkapitals um 210.000 Mark. Graf v. Wartensleben gehörte das große Gut in Karow und er war von 1901 bis 1923 Vorsitzender des Aufsichtsrates der Kleinbahn-AG. Diese 5,9 km lange Stichbahn ging mit Eröffnung am 04.02.1912 in Betrieb. Sie zweigte im bis da zweigleisigen Bahnhof Rogäsen, der hierfür um ein drittes Gleis erweitert wurde, ab. Der Endbahnhof Karow lag vor dem Ortseingang, seine Anlagen wurden recht sparsam ausgeführt. Am Streckenende stand ein eingleisiger Lokschuppen mit Toren an beiden Stirnseiten. Er beheimatete eine Bn2t-Maschine des Lenz-Typs c. Nach Änderung des ursprünglichen Betriebsablaufes ab 1923 wurde der Schuppen nicht mehr gebraucht und deshalb 1933 abgerissen. Fortan fuhr das einzige tägliche Zugpaar über Rogäsen weiter bis Groß Wusterwitz. Während des ersten Weltkrieges fand hier kein Personenverkehr statt.

   

Bahnhof Karow kurz nach Betriebseröffnung, am linken Bildrand ist eine Ecke des Lokschuppens zu sehen,

Foto: unbekannt, Slg H. M. Waßerroth

 

Nicht nur an den Endpunkten, sondern auch auf vielen Zwischenstationen hatte die Kleinbahn von Groß Wusterwitz über Ziesar nach Görzke repräsentative Bahnhofsgebäude, was bei Kleinbahnen eher selten war.   

Um 1908 wurde ein altes Projekt wieder aufgegriffen. Jedoch setzte sich nach langen Querelen eine andere Variante durch. Nicht Genthin -Tucheim - Ziesar oder Genthin - Tucheim - Altengrabow solle gebaut werden, sondern Ziesar - Tucheim - Güsen. Darauf verständigten sich die Aktionäre auf ihrer Versammlung am 21.02.1914. Sie beschlossen außerdem die weitere Erhöhung des Stammkapitals auf nun 3,021 Millionen Mark und die erneute Umbenennung in "Ziesarer Kleinbahn AG" - ab 01.05.1914. Auf Grund des Ersten Weltkrieges konnte die Verbindung von Güsen nur in mehreren Etappen eröffnet werden. Die gesamte Strecke wurde am 02.04.1917 in Betrieb genommen. Gleichzeitig entstand in Ziesar 800 m weiter südlich ein neuer Bahnhof, der näher am Stadtzentrum lag. Der bisherige Normalspurbahnhof Ziesar wurde daraufhin aufgegeben. Ziesar blieb Betriebsmittelpunkt und der neue 1916 in Betrieb genommene Bahnhof bekam ein entsprechendes repräsentatives Bahnhofsgebäude, einen separaten Güterschuppen und wieder einen zweiständigen Lokschuppen mit allen erforderlichen Anlagen.

Die KJ I musste zum neuen Ziesarer "Hauptbahnhof" ein Gleis bauen und dort ein Umsetzgleis anlegen. Der Übergangsverkehr blieb jedoch gering. 1947 wurden die Schmalspurgleise ab Ziesar West stillgelegt und abgebaut.

(zu einem kurzen Abriss zur KJ I in Ziesar)

Die angestrebte weitere Verlängerung von Görzke nach Wiesenburg/Belzig kam nicht zur Ausführung.

Schon seit Bestehen der KZG und GeK gab es ein gutes Verhältnis zwischen beiden Kleinbahnen. Dies wurde schließlich durch einen Vertrag, der eine gemeinsame Verwaltung, gemeinsame Betriebsführung sowie den Austausch von Betriebsmitten und Personal beinhaltete, geregelt. Am 28.3.1923 schließlich verschmolzen beide Gesellschaften zur Kleinbahn AG Genthin - Ziesar. Ab 05.11.1923 firmierten beide Kleinbahnen unter dem gemeinsamen Namen "Kleinbahn AG Genthin - Ziesar" mit Sitz in Genthin.  Der Name wurde am 12.11.1930 nochmals geändert in "Kleinbahn AG Genthin".

Als letzte Streckeneröffnung folgte am 25.03.1925 endlich die Verbindung der Strecken der ursprünglichen GeK und der KZG. Der Bau der Linie Güsen-Jerichow war als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme bereits im Frühjahr 1919 begonnen, aber durch die einsetzende Inflation immer wieder unterbrochen worden.

Nach Inflation und Weltwirtschaftskriese stabilisierten sich die Betriebsergebnisse wieder. Die immer mehr aufkommende Konkurrenz des Kraftverkehrs machte sich aber bemerkbar. Wie bei vielen Kleinbahnen hatte auch die Strecke Wusterwitz - Görzke eine nahezu parallel verlaufende Landstraße in direkter Nachbarschaft.

   

Bahnhof Görzke kurz nach seiner Inbetriebnahme auf einer alten Postkarte,

Foto: unbekannt, Slg H. M. Waßerroth

     

Kleinbahnhof Groß Wusterwitz um 1920 auf einer alten Postkarte,

Foto: unbekannt, Slg H. M. Waßerroth

    

Lageplan Bhf. Wusterwitz mit den Kleinbahnanlagen vom Februar 1933, Repro: © H.M.Waßerroth

(Zum vergrößerten Lageplan des gesamten Bahnhofs Wusterwitz vom Februar 1933 mit Korrekturen und Einbesserungen in rot vom 17.04.1946 nach den Gleisdemontagen, Repro: © H.M.Waßerroth)

     

Ausschnitt Deutsches Kursbuch Sommer 1936, 15. Mai bis 03. Oktober, Repro: © H. M. Waßerroth

  

Triebwagen T 13 in Ziesar mit verdunkelten Laternen im Kriegsjahr 1943 abfahrbereit nach Görzke,

Foto: unbekannt, Slg. H.M.Waßerroth

     

Mit Näherrücken der Front im Frühjahr 1945 geriet auch die ex KZG in das Kampfgebiet. Im April 1945 war kein planmäßiger Betrieb mehr möglich und zum Ende April musste der noch verbliebene Verkehr der Bahn ganz eingestellt werden. Nennenswerte Schäden an der Strecke waren nicht vorhanden, so dass der Verkehr in bescheidenem Umfang zwischen Wusterwitz und Görzke bereits am 22.05.1945 wieder aufgenommen werden konnte.

Die Verhältnisse nach dem Zweiten Weltkrieg brachten auch eine neue Organisation der Betriebsführung. Da die Betriebsverwaltung der Kleinbahn AG Genthin in der Provinz Sachsen, in Genthin angesiedelt war, wurden alle Strecken der AG ab 11.03.1946 der Hauptabteilung Wirtschaft der Provinz Sachsen unterstellt.

    

Ausschnitt Reichsbahn-Kursbuch Sowjetische Besatzungszone vom 04.11.1946, ein Fahrplan für den Streckenast von Warchau nach Karow war nicht enthalten; Repro: © H. M. Waßerroth

      

Zum 01.01.1947 übernahm dann die neu gegründete Sächsische Provinzbahnen GmbH die Betriebsführung. Ab 16.08.1948 ging die Verwaltung auf die Vereinigung Volkseigener Betriebe (VVB) des Verkehrswesens Sachsen-Anhalt über.

Wie alle Kleinbahnen in der damaligen sowjetischen Besatzungszone, wurden auch die Genthiner Kleinbahnen am 01.04.1949 von der Deutschen Reichsbahn übernommen, somit auch die Strecken der ex KZG. Bald darauf, am 03.10.1951, wurde die nur schwach ausgelastete und eher unrentable Zweigstrecke Rogäsen – Karow zur Gewinnung von Oberbaumaterial stillgelegt und bis 1952 abgebaut.

Im Zuge einer Verwaltungsreform kamen im Jahre 1952 die Orte an der Strecke, die früher zum Landkreis Jerichow II (ab 1950 Kreis Genthin) in der Provinz Sachsen (ab 1947 Land Sachsen-Anhalt) gehörten, zum Bezirk Potsdam und damit 1990 zum Bundesland Brandenburg.

    

Personenzug in Ziesar Richtung Wusterwitz, am 03.07.1965 aufgenommen (leider keine bessere Aufnahme),

Foto: H.-J. Bürger †, Repro Slg. H. M. Waßerroth

    

Ausschnitt DR-Kursbuch Sommer 1966, 22. Mai bis 24. September; Repro: © H. M. Waßerroth

      

Lok 24 009 wartet mit typischem Personenzug mit Güterbeförderung im September 1968 im Bahnhof der Kleinbahn in Wusterwitz auf die Abfahrt nach Ziesar, hinten das Bahnhofsgebäude der Staatsbahn,

Foto: Hans van Engelen, Slg H. M. Waßerroth

  

Zuggarnitur mit V 23 026 und VB 147 554 nach Görzke in Ziesar, Aufnahme zwischen 1968 und 1970,

Foto: F. Barby †, Quelle: Slg. Kreismuseum Jerichower Land, Genthin

   

der letzte Fahrplan von Wusterwitz nach Ziesar

Ausschnitt DR-Kursbuch Winter 1970/71, 27. September 1970 bis 22. Mai 1971; Repro: © H. M. Waßerroth

       

Mit Zunahme des Kraftverkehrs und Ausbau der Straßen kam es zu einer immer stärkeren Konkurrenz. Über die nahezu parallel verlaufende Landstraße Wusterwitz - Ziesar und Ziesar - Görzke konnten die ohnehin nur schwachen Verkehrsleistungen der Bahn effizienter bewältigt werden. Daran änderte auch die Einführung des Vereinfachten Nebenbahndienstes (VND) ab 01.07.1957 nichts. Hierbei wurde der Bahnhof Ziesar zur Zugleitstelle und nur noch hier mit einem Fahrdienstleiter besetzt. Der Bahnhof Wusterwitz (Kleinbahn) gehörte als Zugmeldestelle nicht zur Zugleitstrecke. Alle anderen Stationen waren unbesetzte Zuglaufstellen.

Ab Mitte der 1960er Jahre verringerten sich die Verkehrsleistungen immer stärker. Die Einrichtung der Bahnhöfe Ziesar und Görzke in Wagenladungsknoten änderte daran nichts. Trotzdem blieb der Fahrplan über die letzten Jahre nahezu unverändert. Zum Fahrplanwechsel am 25.05.1968 endete der planmäßige Dampflokeinsatz und fortan kamen nur noch Dieselloks der BR V 23 neben der schon seit Anfang der 1960er Jahre in Ziesar beheimateten V 15 2218 zum Einsatz.

Ohne große Anteilnahme der Bevölkerung gingen am 22.05.1971 mit Beendigung des Personen- und Güterverkehrs auf der Stammstrecke der KZG von Wusterwitz nach Ziesar 70 Jahre Kleinbahngeschichte zu Ende.

 

Ausschnitt DR-Kursbuch Sommer 1971, 23. Mai bis 25. September 1971; Repro: © H. M. Waßerroth

   

Die Strecke ging bis Bücknitz zum Fahrplanwechsel außer Betrieb, wurde aber vorerst nicht abgebaut. Sie diente von 1972 ab von Wusterwitz bis Bücknitz zum Abstellen schadhafter und nicht mehr benötigter Güterwagen der Reichsbahn. Vornehmlich umgebaute O-Wagen für den Kalitransport und Kühlwagen wurden hier abgestellt und warteten auf ihre Verschrottung. Sogar die vorhandene Freileitung für den Streckenfernsprecher blieb erhalten und wurde weiter gepflegt.

Unter vorgehaltener Hand galt die Strecke trotz ihres schwachen Oberbaus als strategische Reserve für das Staatsreservelager der Nationalen Volksarmee der DDR in Bücknitz, dem Russenlager an der Herrenmühle bei Bücknitz und die 1934/35 errichtete Luft-Munitionsanstalt 4/III in Buckau, angeschlossen in km 21,60 an der Strecke von Ziesar nach Görzke, welche auch von den sowjetischen Besatzungstruppen nach 1945 für Bomben und Luft-Luft-Raketen weiter genutzt wurde.

 

 

Haupteingang mit Wach- und Verwaltungsgebäude um 1935, Foto: unbekannt, Quelle: Slg. D. Müller, Ziesar

 

Garagenhof mit Werkstätten um 1935, Foto: unbekannt, Quelle: Slg. D. Müller, Ziesar

  

Rangierlok RL 7 (oder RL 8) der Luftmunitionsanstalt um 1935, Foto: unbekannt, Quelle: Slg. D. Müller, Ziesar

  

Nach Einstellung des Betriebes zwischen Wusterwitz und Ziesar entstand im Wald westlich von Bücknitz ein Lager für Versorgungsgüter als Staatsreserve im Ernstfall. Dieses Lager erhielt einen Gleisanschluss in km 13,36, der von Ziesar aus bedient wurde. 1974 ging das Lager mit zwei eigenen Kleinloks vom Typ V 22 B, Betriebs-Nr. 262 504 und 262 505 in Betrieb. Zu diesem Zweck wurde die Strecke von Ziesar bis Bücknitz und bei dieser Gelegenheit auch der langgestreckte Bogen des Anschlussgleises zur Herrenmühle bis zum Bahnübergang mit der Landstraße 96 für 21 t Achslast umgebaut.

    

Anhang III zur Dienstvorschrift für die Ermittlung der Betriebsleistungen der Rbd Magdeburg, gültig ab 01. Juni 1974; hier nur der Hinweis, dass der Betrieb von/nach Wusterwitz eingestellt ist, Repro: © H. M. Waßerroth

     

Das Anschlussgleis bis zur Herrenmühle, abzweigend in km 15,15, entstand wohl nach Einstellung des Mahlbetriebes als Wassermühle und Umbau zur Papierfabrik. (Im 1911 aktualisierten Messtischblatt 3739 Ziesar war das Gleis noch nicht enthalten.) Die Bedienung erfolgte ebenfalls von Ziesar aus.

Etwa im Zeitraum von 1942 bis Herbst 1943 wurde neben dem Anschlussgleis vor der Herrenmühle das Heeres-Neben-Panzer-Zeugamt (HNPZa) Ziesar der Wehrmacht errichtet. Unterstellt war es dem Heeres-Panzer-Zeugamt Königsborn bei Magdeburg. Zur Bedienung mit der Bahn erhielt das HNPZa Ziesar einen Gleisanschluss vom Anschlussgleis der Herrenmühle, der mit zwei Ladegleisen (10a und 10b) im Objekt mündete. Bereits zum Kriegsende war Gleis 10a nicht mehr vorhanden. Nach dem Zweiten Weltkrieg nutzten die sowjetischen Besatzungstruppen das Lager bis zum Abzug am 15.10.1991 weiter.

In den ABest VND Heft 2 (Ausführungsbestimmungen zur Dienstvorschrift für den vereinfachten Nebenbahndienst der Rbd Magdeburg), gültig ab 28.09.1980 war der Anschluss Herrenmühle nicht mehr verzeichnet.

Das Anschlussgleis mündet noch heute in den verbliebenen Torso der Strecke kurz vor dem damaligen Endbahnhof "Bahnhof Ziesar".

    

Anschluss zur Herrenmühle Bücknitz am 22.02.1990, Foto: Chr. Dunger, Quelle: Slg. Kreismuseum Jerichower Land, Genthin

   

Bogen des Anschlussgleises zur Herrenmühle Bücknitz vom Streckengleis aus gesehen,

Aufnahme 01.03.2018, Foto: © H. M. Waßerroth

      

Übergabegleise im Anschluss Herrenmühle Bücknitz für das Militärlager, Aufnahme Februar 2003, Foto: © H. M. Waßerroth

 

Zugewachsene Strecke in der Rampe vom Wusterwitzer (Gollwitzer) Höhenland hinunter zum Fiener Bruch bei Rogäsen, Aufnahme 24.05.1989, Foto: © H. M. Waßerroth

      

Nach und nach wurden die abgestellten Güterwagen wieder abgezogen und der Verschrottung zugeführt. Die Strecke bis Bücknitz verfiel in einen Dornröschenschlaf und wuchs langsam zu. Um 1988 erinnerte man sich der alten, nun wohl nicht mehr nötigen Schienen als wertvollen Schrott für die Volkswirtschaft. In der ersten Hälfte 1989 begann ab Wusterwitz der Rückbau der immer noch nicht offiziell stillgelegten Strecke Richtung Ziesar mit Unterstützung des in der damaligen Reichsbahndirektion Magdeburg ansässigen Baubetriebes in Königsborn. Zuvor mussten die teilweise schon recht stattlichen Bäume im Gleis gerodet werden. Selbst die Politzeitung der Direktion Magdeburg berichtete über den Streckenabbau und den heroischen Einsatz der FDJ-ler beim Bergen des Schrottes für die FDJ-Aktion "Max braucht Schrott".

     

Entfernte Schienen während des Streckenrückbaus bei Rosenthal (Blickrichtung Warchau),

Aufnahme 24.05.1989, Foto: © H. M. Waßerroth

    

Bogen vor Warchau (Blickrichtung Warchau), Ende der 1950er/Anfang der 1960er Jahre wurden in vielen Abschnitten die Holzschwellen gegen Betonschwellen, vielfach mit dem damals typischen Federnagelbau, ausgetauscht,

Aufnahme 24.05.1989, Foto: © H. M. Waßerroth

    

Ausschnitt aus "Der Funke" 11/1989, Repro: © H. M. Waßerroth

      

     

Bahnhof Wusterwitz, heute wachsen auf dem ehemaligen Kleinbahngelände bereits stattliche Bäume,

Aufnahme 05.04.1999, Foto: © H.M.Waßerroth

     

Die verbliebenen Gleise des Kleinbahn-Bahnhofs dienten 1993 noch zum Abstellen der Bauwagen beim Streckenausbau Berlin - Magdeburg, dann waren sie nutzlos und wurden nach und nach entfernt, Aufnahme 05.04.1999, © H.M.Waßerroth

    

Bei km 6,3 wurde mitten auf freiem Feld der Streckenrückbau plötzlich abgebrochen und man ließ die zum Abbau vorgesehenen Gleise bis Bücknitz vorerst einfach liegen. Durch die wirtschaftlichen Veränderungen in Folge des 09.11.1989 brach der Güterverkehr bei der Reichsbahn auch durch die zunehmende Verlagerung auf die Straße stark ein und viele Güterwagen wurden nicht mehr benötigt. Vor allem die für den Stückgutverkehr genutzten Gbs-Wagen waren überflüssig geworden. So nutzte man die noch verbliebenen Gleise zwischen km 6,3 und Bücknitz wieder zum Abstellen von überzähligen und ausgemusterten Güterwagen. Dies wurde aber bald zum öffentlichen Ärgernis der in der Nähe befindlichen Ortschaften. Die abgestellten Güterwagen entwickelten sich zu einem Eldorado für Vandalen und führten auch vermehrt zur Selbstbedienung durch Langfinger. Alles was irgendwie zu Geld gemacht werden konnte, wurde abgebaut und geklaut. Einige der Anwohner nutzten die Wagen sogar als günstige Mülldeponie, um ihre eigenen Müllgebühren zu sparen. Bis zum Ende 1993 wurden dann alle Wagen wieder abgefahren.

     

Abgestellte Güterwagen bei Rogäsen, Aufnahme 16.05.1991, Slg. H.M.Waßerroth

    

Schier endlos war die Wagenschlange der abgestellten Güterwagen hier bei Rogäsen im Fiener Bruch,

Aufnahme 16.05.1991, Slg. H.M.Waßerroth

   

Die ca. 120 abgestellten Wagen zwischen km 6,3 und Rogäsen waren die letzten Wagen, die die Strecke nutzten. Da auch die Rampe zur Gollwitzer Hochfläche mit Wagen voll gestellt wurde, hat man die Wagen an Unterbrechungen, zum Beispiel an Überwegen, talseitig mit einer Achse von den Schienen gehoben und so gegen ein Herabrollen gesichert. Am Ende des noch vorhandenen Gleises sollte ein Schwellenkreuz, ein Radvorleger und eine Sh 2-Scheibe den Gleisabschluss in mitten von Feldern sichern, was aber nichts nützte. Die letzten 2 Wagen wurden über das behelfsmäßige Gleisende hinaus geschoben. Beim Abziehen des Zuges wurden die beiden Wagen nicht wieder aufgegleist und verblieben somit an Ort und Stelle.

   

Talseitig ausgegleister Wagen bei Rogäsen, Aufnahme: 16.05.1991, Foto: Slg. H. M. Waßerroth

    

Die letzten 2 Güterwagen einsam und verlassen, die Telegraphenleitung scheint noch voll intakt, Aufnahme 1994,

Foto: © H.M.Waßerroth

   

Die letzten 2 Güterwagen, oder was davon noch übrig war, Aufnahme 05.04.1999, Foto: © H.M.Waßerroth

   

In einem großen Bogen erreichte die Strecke vom Wusterwitzer (Gollwitzer) Höhenland kommend den Bahnhof Rogäsen, nachdem alle alten Güterwagen abgezogen waren eroberte die Natur die Bahntrasse zurück,

Aufnahme 05.04.1999, Foto: © H.M.Waßerroth

   

Obwohl 6,3 km Strecke bereits im 1. Halbjahr 1989 abgebaut wurden, erfolgte erst zum 01.05.1996 die offizielle Stilllegung der Strecke Wusterwitz - Ziesar. Nachdem alle Güterwagen abgezogen waren und nach der Entwidmung der Bahnanlagen in Rogäsen war im Bahnhofsbereich Rogäsen für die dort niedergelassene Firma Stenger der Weg frei, ihre Produktionsanlagen zu erweitern. Bisher beschränkte man sich mit dem "Bahnhofsvorplatz". Das ursprüngliche Bahnhofsgebäude existierte schon lange nicht mehr.

Am Bahnhof Rogäsen firmierte unter der Adresse Am Bahnhof 2 vom 04.11.1902 bis 31.05.1971 die Dampfmolkerei Zitz-Rogäsen. Die Milch für die Molkerei kam auch mit der Kleinbahn. Nach ihrer Schließung baute man das markante rote Backsteingebäude zu einer Keksbäckerei um, welche als Zweigbetrieb dem Konsum-Waffelspezialbetrieb "Konsü" in Brandenburg an der Havel 1972 angegliedert wurde. 1989 kam für "Konsü" das Aus. Den Betrieb übernahm ab 1992 die Stenger Waffeln Rogäsen GmbH.

Ein neues Produktionsgebäude wurde im Bereich des Bahnsteiges zur Jahrtausendwende gebaut und reicht über die ehemalige Gleistrasse. Die Gleise von Rogäsen bis zum Ende in Km 6,3 wurden bis auf ein kurzes Stück auf der Hochfläche nach und nach entfernt. Auch die restlichen Gleise im Bahnhof Rogäsen bis zur Landstraße nach Zitz waren bald verschwunden.

(Anm.: Das noch heute an der Straße stehende rote Backsteingebäude der Waffelfabrik war nicht, wie verschiedene Publikationen beharrlich behaupten und dabei nur voneinander abschreiben, das Bahnhofsgebäude von Rogäsen! Der Bahnhof lag einige Meter höher am Rand der Zitzer Berge. Die Kleinbahn hatte im Gebäude der Dampfmolkerei nur einen Dienstraum zur Miete! Auch der Güterschuppen war nicht bahneigen.)

   

Haltestelle Rogäsen, Blick in Richtung Wusterwitz, noch beschränkt die Firma Stenger sich auf die Fläche neben der Gleistrasse, sogar die Telegrafenmasten stehen noch, die Schienen sind unter der Vegetation kaum noch zu erkennen,

Aufnahme 05.04.1999, Foto: © H.M.Waßerroth

  

Bahnhof Rogäsen, das Werksgebäude der Waffelfabrik (damals noch Konsü) ist gerade im Aufbau,

Aufnahme 20.07.1989, Foto: © H. M. Waßerroth

     

Bahnhof Rogäsen, Kilometerstein 9,0 aus Kleinbahnzeiten, Aufnahme 20.07.1989, Foto: © H. M. Waßerroth

   

Bahnhof Rogäsen, Blick in Richtung Ziesar mit Bahnübergang über die Landstraße nach Zitz, Aufnahme 05.04.1999,

Foto: © H.M.Waßerroth

     

Der Damm mit den Gleisen durch den Fiener bei Rogäsen (Blickrichtung Ziesar) erobert sich die Natur zurück, heute sind sie total zugewachsen, Aufnahme 05.04.1999, Foto: © H.M.Waßerroth

   

Bahnhof Rogäsen, Blick aus Richtung Ziesar über die Weiche 1, die neue Halle der Firma Stenger steht auf der Gleistrasse,

Aufnahme 05.03.2000, Foto: © H.M.Waßerroth

 

Bahnhof Rogäsen, Blick aus Richtung Wusterwitz, die Schienen wurden hier schon entfernt,

Aufnahme 05.03.2000, Foto: © H.M.Waßerroth

     

Auf der Strecke von Ziesar nach Görzke gab es nach der Betriebseinstellung zwischen Wusterwitz und Bücknitz weiterhin einen bescheidenen Personen- und Güterverkehr. Ziesar erreichte man hier noch per Bahn von Güsen aus. Übergabefahrten fuhren von Ziesar nach Bücknitz in das NVA-Versorgungslager, später Versandzentrum der Firmen Quelle und Schöpflin.

       

Bahnhof Görzke um 1970, Foto: Slg. H.M.Waßerroth

      

P 1094 nach Ziesar, gezogen von einer V 22 in Görzke, Aufnahme 11.11.1972, Foto: © H.M.Waßerroth

      

der letzte Fahrplan von Ziesar nach Görzke

Ausschnitt DR-Kursbuch Sommer 1973, 03. Juni bis 29. September 1973; Repro: © H. M. Waßerroth

       

Am 29.09.1973 endete dann auch der Personenverkehr zwischen Ziesar und Görzke. Die Nutzung des Lokschuppens in Görzke war bereits 1962 aufgegeben und das Gebäude im Sommer 1963 an die Forstwirtschaft verkauft worden.

Am 01.06.1980 wandelte die DR diesen Abschnitt in einen Streckenrangierbezirk um, auch auf Grund des immer schlechteren Oberbauzustandes. Es durfte nur noch eine Geschwindigkeit von 20 km/h gefahren werden. Nur die zahlreichen Holztransporte ab Görzke sicherten der Strecke das weitere Bestehen. Zwischen Bücknitz, Ziesar und Görzke wurde der Oberbau dann noch grundlegend saniert, wie sich später herausstellte, auch mit Alkalischwellen. Ab 27.09.1981 bekam die Strecke ihren Nebenbahnstatus zurück, was nun wieder eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h ermöglichte.

   

Ausschnitt DR-Kursbuch Winter 1973/74, 30. September 1973 bis 23. Mai 1974; Repro: © H. M. Waßerroth

       

Obwohl nicht unerhebliche Investitionen in die Streckenunterhaltung und die Sicherungstechnik getätigt worden waren, endete der Güterverkehr nach Görzke am 31.12.1993. Der Holzversand ab Görzke erfolgte nun mittels LKW über die Straße und auch das Munitionslager in Buckau ist durch Abzug der Russen aufgegeben worden. Bis Ende 1993 wurde auch noch der 1916 gebaute Lokschuppen in Ziesar als Außenstelle für Wartungsarbeiten und zum Unterstellen von Loks genutzt. Bereits ab 22.09.1991 war die Lokeinsatzstelle Ziesar zur Personaleinsatzstelle herabgestuft worden.

1996 sind alle verbliebenen Gebäude des einstigen Ziesarer Hauptbahnhofes (Bezeichnung von ca. 1930 bis 1965) als besonders erhaltungswürdig unter Denkmalschutz gestellt und in die Landesdenkmalliste aufgenommen worden. Gerade mit dem Lokschuppen hatte man viele Pläne einer musealen Nutzung. Aber es waren nur Pläne, mit der Umsetzung hapert es bis jetzt gewaltig. So verfällt das Gebäude immer mehr und ist heute innerhalb der üppig wuchernden Vegetation kaum noch zu sehen. Im Inneren ist aber zu erkennen, dass teilweise Sicherungsarbeiten am Dachgebälk vorgenommen wurden.

   

Anlage 5 zu den Ausführungsbestimmungen zur Dienstvorschrift für den vereinfachten Nebenbahndienst der Rbd Magdeburg, gültig ab 28. September 1980; Repro: © H. M. Waßerroth

        

Bahnhof Görzke, vom Bahnsteig existierten nur noch Fragmente, Aufnahme 20.04.1992, Foto: © H.M.Waßerroth

    

Bahnhof Görzke, der Lokschuppen war bereits ohne Gleise, Aufnahme 20.04.1992, Foto: © H.M.Waßerroth

   

Mit Ausbau der Autobahn A 2 bei Ziesar auf 3 Fahrspuren je Richtung war auch die Brücke über die Strecke nach Görzke davon betroffen. Der Landkreis Potsdam Mittelmark wollte sich die Option offen halten, die Strecke nach Görzke irgendwann eventuell zu reaktivieren. Trotz mehrerer Einsprüche, auch anderer Ämter, gegen den ersatzlosen Abriss der alten Brücke, fiel vom brandenburgischen Verkehrsministerium die Entscheidung, der Auffassung der Deges-Planungsgesellschaft zu folgen und keine neue Brücke zu bauen. So wurde die noch nicht abgebaute Strecke nach Görzke zur Inselstrecke.

   

Ein Zug nach Görzke mit ELNA-Lok 303 unterquert um 1943 die Autobahn, Foto: unbekannt, Slg H. M. Waßerroth

   

Blick aus Richtung Köpernitz auf die Autobahnbrücke, die neue Fahrbahn Richtung West war schon ohne Brücke,

Aufnahme Sommer 1999, Foto: © H.M.Waßerroth

   

Blick aus Richtung Ziesar auf die Autobahn, die neue Fahrbahn Richtung West ohne Brücke,

Aufnahme Sommer 1999, Foto: © H.M.Waßerroth

   

Im Bahnhof Ziesar endete der Güterverkehr von Güsen zum 1. Januar 1998. Der Personenverkehr von Güsen nach Ziesar hielt sich noch bis zum 29. Mai 1999. Das ehemalige NVA-Versorgungslager in Bücknitz war zwischenzeitlich von der Quelle AG übernommen worden. Der Abtransport der letzten beiden Dieselloks im Jahr 2000 war wohl die letzte offizielle Zugfahrt in Ziesar. Am 13.12.2004 genehmigte dann das Eisenbahnbundesamt auch die dauerhafte Stilllegung der Bahnstrecke Güsen–Ziesar zum 01.01.2005. Seit dem ist Ziesar wieder ohne Eisenbahnanschluss. Den Schlusspunkt unter die Kleinbahngeschichte setzt die Entwidmung der Bahnanlagen am 19.09.2008.

Mit Sanierung der Landstraße von der A 2 Anschlussstelle Ziesar bis Ziesar verschwand der Bahnübergang und im Sommer 2017 begannen die Rückbauarbeiten der Gleisanlagen im Bereich Tucheim.

   

Bahnhof Ziesar Anfang der 1990er Jahre, Foto: Slg H. M. Waßerroth

  

Bahnhof Ziesar: Anfang der 1990er Jahre machte er noch einen ordentlichen und gepflegten Eindruck,

 Foto: Slg H. M. Waßerroth

    

Bahnhof Ziesar 1999 kurz vor Betriebseinstellung, Foto: Slg H. M. Waßerroth

     

Bahnhof Ziesar Mai 1999: Schwellenkreuze, Gleise außer Betrieb und verwahrloste Anlagen - das Ende naht,

Foto: Slg H. M. Waßerroth

  

Bahnhof Ziesar, der Lokschuppen wurde 1996 zum Baudenkmal erklärt und dann sich selbst überlassen,

Aufnahme Mai 1999, Foto: Slg H. M. Waßerroth

       

Bahnhof Ziesar 1999 kurz vor Betriebseinstellung, links Einfahrt von Güsen, rechts Einfahrt von Görzke,

 Foto: Slg H. M. Waßerroth

      

Bahnhof Ziesar 1999 kurz vor Betriebseinstellung, nach Görzke fuhr schon längst kein Zug mehr,

Foto: Slg H. M. Waßerroth

   

Um die Jahrtausendwende gab es Bestrebungen, die noch vorhandenen Anlagen der ex KZG Strecke Wusterwitz - Ziesar - Görzke für touristische Zwecke zu nutzen. Dazu gründete sich ein gemeinnütziger Verein "Ziesar-Bücknitzer Eisenbahn gem. e. V.". Geplant war eine Nutzung der noch bestehenden Strecke von Ziesar über Bücknitz und durch das Fiener Bruch bis kurz vor Rogäsen als Fahrraddraisinenstrecke. Auch ein Museumsbetrieb war geplant. Im Jahr 2003 signalisierte die DB AG, dass man die Anlagen kaufen könne. Daraufhin begannen durch den Verein, auch als ABM-Maßnahme, Arbeiten zur Herrichtung der Strecke. Bücknitz erhielt einen Behelfsbahnsteig, Museumsfahrzeuge wurden beschafft und wieder mussten viele Bäume im Gleis gefällt werden. Zuerst wollte man nur bis zum Hauptgraben im Fiener Bruch fahren, da der Überbau der Brücke aus Stahl in den 1990er Jahren nach dem Abziehen der abgestellten Güterwagen "verschwunden" war. (Leider ist mir von der Brücke nichts Näheres zum Aussehen bekannt, auch eventuelle Fotos fehlen.) Durch die Hilfe verschiedener Sponsoren konnte die Brücke durch eine Verrohrung ersetzt werden, so dass dann ca. 7 km Strecke nutzbar wurden.

Der Lückenschluss erfolgte aber aus fachlicher Sicht sehr dilettantisch, ja für die Betriebssicherheit äußerst gefährlich:

- die aufgefüllten Erdmassen wurden unzureichend verdichtet,

- die zwei eingelegten Gleisjoche wurden nur sporadisch mit Bettung versehen und

- die Schienen wurden unzureichend an das bestehende Gleis angebunden. (siehe Fotos unten)

   

Fehlende Brücke über den Hauptgraben im Fiener Bruch, Aufnahme 26.03.2000, Foto: © H.M.Waßerroth

    

Gleiche Sicht heute, die fehlende Brücke über den Hauptgraben im Fiener Bruch als Durchlass mit Rohren, die Brückenwiderlager sind noch vorhanden, Aufnahme 10.04.2019, Foto: © H.M.Waßerroth

      

(klicken, um diese Bilder größer mit Erläuterungen anzusehen)

   

Zur Materialgewinnung, aber auch zur Veräußerung der Schienen, um weitere Gelder für die Finanzierung der Vorhaben zu bekommen, wurde die Inselstrecke nach Görzke abgebaut.

Am 21.06.2003 war die offizielle Eröffnung der Museumsbahn "Ziesar-Bücknitzer Eisenbahn".

   

Foto: unbekannt, Quelle: www.ziesar-buecknitzer-eisenbahn.de (nicht mehr verfügbar)

Der VT 09 der Württembergische Eisenbahngesellschaft WEG bei der ZBE zwischen Ziesar und Bücknitz, Aufnahme 2003

     

Foto: unbekannt, Quelle: www.ziesar-buecknitzer-eisenbahn.de (nicht mehr verfügbar)

Die Deutz (FNr. 55862) des Vereins als Arbeitszuglok in Bücknitz, Aufnahme 2003

   

Kurz danach erhielt der Verein von der DB Services Immobilien GmbH in Berlin die Nachricht, dass man die Strecke doch gar nicht verkaufen wolle, obwohl sie offiziell zum Verkauf ausgeschrieben war. Der Verein hatte das Höchstgebot für die Strecke abgegeben und bereits einen Kaufvertrag zur Prüfung erhalten. Nun stellte die Bahn AG fest, dass kein Verkauf möglich sei (warum auch immer?) und keine Zusage erfolgte. Und falls sie denn doch gegeben worden sei, dann war das ein Irrtum. Die Investitionen in die Strecke von Ziesar nach Rogäsen waren in den Sand gesetzt und der voreilige Abbau der Strecke nach Görzke ging als großer Schienenklau in die Bahngeschichte ein.

Letztendlich hat die Deutsche Bahn AG die Strecke von Ziesar bis Rogäsen dann doch mit allen zugehörigen Nebenanlagen als Paket an einen Privatmann verkauft. Dieser betreibt in der Schorfheide ein Forstgut. Zusammen war es ein Sammelsurium von weit über 100 Flurstücken.

     

Der Lokschuppen im Bahnhof Görzke wurde schon längst nicht mehr genutzt, aber hier stand er noch

Aufnahme Februar 2003 kurz vor Abbau der Gleisanlagen, Foto: © H.M.Waßerroth

  

Der ehemalige Bahnhof Görzke ist heute "Rasthof & Pension Görzke" der Familie Goldbach,

die Lok V10B (LKM 1960/252096 soll als Denkmal auf ihrem Stück verbliebenen Gleises an die ehemalige Kleinbahn erinnern,

Aufnahme 29.03.2016, Foto: © H. M. Waßerroth

   

Von der Ziesar-Bücknitzer Eisenbahn spricht heute keiner mehr und die Fahrzeuge wurden wohl alle wieder veräußert. Der Bahnhof Ziesar ist heute ohne Gleise, aber die Strecke bis Rogäsen existiert noch (teilweise, es "verschwindet" immer mehr). Das Bahnhofsgebäude Ziesar wurde im Dezember 2012 versteigert. Die noch erhaltenen Reste der ehemals als Buckautalbahn bekannten Strecke standen sogar schon auf der Landesdenkmalliste des Landes Brandenburg, was die Schrottdiebe aber nicht davon abgehalten hatte, fleißig Material für die eigene Tasche zu klauen.

Heute ist die Reststrecke als einzigartiges Denkmal der Verkehrsgeschichte nicht mehr in der Landesdenkmalliste enthalten, nur alle Gebäude des ehemaligen Bahnhofes Ziesar sind weiterhin Baudenkmale.

Seit Jahren ist der Landkreis bereit, Haushaltsmittel und Fördergelder in den Ausbau der alten Bahnstrecke als Radweg zwischen Ziesar und Rogäsen zu investieren. Die Anliegerkommunen sollen dafür die nötigen Flurstücke der alten Bahnlinie erwerben und später in ihre Trägerschaft übernehmen.

   

Radweg an der ehemaligen Haltestelle Köpernitz, Aufnahme 28.07.2015, Foto: © H.M.Waßerroth

     

Eine Anbindung der bereits bestehenden Radwege von Ziesar in Richtung Wusterwitz wird als wichtig und sinnvoll angesehen. Der Eigentümer der Restbahnstrecke will aber die 12 Hektar, die er als Paket von der DB AG erworben hat auch nur insgesamt wieder verkaufen. Als reine Verkehrsfläche werden aber nur etwa 1,3 Hektar gebraucht. Der Abschnitt Ziesar-Rogäsen ist bereits Bestandteil des touristischen Radwegekonzeptes des Landkreises und soll bis 2022 Realität werden. Die Kosten werden auf 1,8 Millionen Euro geschätzt. Von Rogäsen will man später über Warchau nach Wusterwitz weitergehen. Als Plan B wird der Bau eines straßenbegleitenden Radweges neben der Landesstraße 96 vorgesehen.

   

Strecke im Wald bei Bücknitz, Aufnahme 26.03.2000, Foto: © H.M.Waßerroth

   

Gleiche Stelle, Aufnahme 24.04.2014, Foto: © H.M.Waßerroth

   

Schienenwalzzeichen >Osnabrück 1908< der Georgsmarienhütte Osnabrück in einer Schiene der Form 8 im noch existierenden denkmalgeschützten Streckenabschnitt, Aufnahme 24.04.2014, Foto: © H. M. Waßerroth

   

aus verschiedenen Quellen

bearbeitet und ergänzt von H. M. Waßerroth

    

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kurzer Abriss zur KJ I in Ziesar

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Vers. 4.6.1. vom 10.09.2024

© Harumi Michelle Waßerroth