"Einmal von Brandenburg Hbf. nach Radewege"
- Ein Bericht aus dem Jahr 1953 -
(Durch Zufall bekam ich eine Kopie eines
Zeitungsartikels in die Hand, in dem von einer Reise
mit der Eisenbahn nach Radewege, ehem. Westhavelländische
Kreisbahnen, im Jahre 1953 berichtet wurde. Die Märkische
Allgemeine Zeitung hatte diesen Reisebericht in ihrer
Ausgabe vom 04.03.1995 abgedruckt.)
Zitat:
>Es war ein kleines Abenteuer: Als in Radewege noch die
Züge hielten
Auf Schienen durch das Westhavelland - Von einer fast
vergessenen Eisenbahn
Von Eberhard Friedrich
Meine erste Begegnung mit dieser Bahn erlebte ich als
ein kleines Abenteuer. Es war an einem Augusttag des Jahres
1953. Ich musste mich als junger Lehrer in meinem künftigen
Dienstort Radewege dem Direktor der Schule vorstellen. Nach
der Landkarte gab es eigentlich keine Probleme: Von
Brandenburg war auf ihr eine Eisenbahnlinie eingetragen, die
Radewege direkt berührte. Also los! Etwas verwunderlich war
nur, dass man mir in meinem damaligen Heimatort Luckau nur
eine Fahrkarte nach Brandenburg Hauptbahnhof ausstellte.
In Brandenburg Hauptbahnhof angekommen, ging es sofort
zum Fahrkartenschalter, um die Fahrkarte nach Radewege zu
lösen und nach der Verbindung dorthin zu fragen. Beides
stieß auf Schwierigkeiten. "Die Fahrkarte erhalten sie im
Zug, aber wie Sie zu der Strecke kommen, da muss ich erst
mal nachfragen!" Nach kurzer Zeit erhielt ich den Bescheid:
"Sie fahren mit der Straßenbahn in Richtung Görden und
laufen dann am Silokanal entlang. Dann treffen Sie auf den
Endpunkt der Strecke." Für mich waren das damals lauter
fremde Begriffe. Also zur Straßenbahnhaltestelle,
nachgefragt, eingestiegen in die Linie 4, und los ging die
Fahrt ins Unbekannte.
Ein Marsch durch Ruinen
Noch standen die Ruinen in der St. Annenstraße. Nach
längerer Fahrt riet mir ein freundlicher Fahrgast, erst
hinter der Silokanalbrücke auszusteigen, dann sei ich gleich
auf der richtigen Seite des Kanals. Auf freiem Feld stieg
ich aus, Häuser sah man erst in einiger Entfernung. Etwa
eine Viertelstunde dauerte der Marsch bis zu den Ruinen der
Eisenbahnbrücke über den Silokanal. Ich musste nach oben
steigen, da bot sich mir folgendes Bild: Ein eingleisiger
Bahndamm zur linken Seite, geradeaus eine Auffahrt zu einem
Lagerkomplex mit einem Pförtnerhäuschen und rechts die großen
Lagergebäude, aber kein Bahnhofsschild. Meine Unsicherheit
muss ein Mann in dem Pförtnerhaus bemerkt haben, denn er kam
heraus und fragte mich, ob ich zur Bahn oder zum Lager
wolle. Ich war froh zu wissen, dass ich hier also richtig
war.
Aber von dem Nachmittagszug war noch nichts zu sehen, er
sollte eigentlich schon abfahren. Verspätungen waren hier
nichts Neues. Doch dann erscholl in der Ferne der Pfiff
einer Lokomotive. Ich stieg die provisorisch angelegten
Stufen zum Bahndamm hinauf. Der Zug kam zischend und
schnaufend näher und hielt. Ein paar Reisende stiegen aus.
Sie schlugen sofort den Weg zum Silokanal ein. Ich konnte
jetzt einen Einblick in den Betrieb der Bahn erhalten. Der
Zug drückte zurück in die Rangiergleise des Lagerkomplexes,
dort wurden die beiden Personenwagen und der Packwagen
abgehängt. Die Lok setzte um und rangierte die Güterwagen zu
den Entladeplätzen der Speicher, danach setzte sich die Lok
an die Spitze der Personenwagen, holte entladene Güterwagen
aus dem Speichergelände, und erst jetzt wurde der Zug in das
Streckengleis, an dem ich wartete, zurückgedrückt. Als
einziger Fahrgast, und dazu noch als Fremder, wurde ich
freundschaftlich befragt, wohin ich wolle. "Ach nach
Radewege, dann sind Sie wohl der neue Lehrer." Auf dieser
Strecke kannte man sich, und Neuigkeiten sprachen sich
schnell herum.<
Brandenburg Silokanalbrücke,
89 6123 vor abfahrbereitem Zug
in Richtung Roskow,
Slg. H. M. Waßerroth
>Endlich setzte sich der Zug in Bewegung. Häufig
ertönten der Pfiff und das Läutewerk der Lokomotive, wenn
Wege oder die Straße gekreuzt wurden. In
Brielow-Freiheitsweg war wieder ein längerer Halt, denn hier
wurde an der Maschinenfabrik rangiert. Der Zug bekam eine
beträchtliche Länge von etwa 12 Wagen. Nun ging es etwas
schneller voran. Brielow wurde passiert, in
Radewege-Ziegelei wurde nicht gehalten. Der Beetzsee kam in
Sicht, doch ehe man richtig schauen konnte, quietschten die
Bremsen. Radewege war erreicht, nach rund 40 Minuten war ich
am Ziel. Das war meine erste Fahrt auf der Strecke der
ehemaligen Westhavelländischen Kreisbahn.
Die Geschichte dieser Bahn .... < Zitat Ende,
weiter geht es dort dann mit einem kurzen Rückblick auf die
Geschichte der WHKB.
Zug von Roskow zwischen Butzow und
Radewege unterhalb des Hasselberges
Foto: E. Friedrich,
Slg. H. M. Waßerroth
Quelle: Märkische Allgemeine Zeitung vom 04.03.1995
zitiert und ergänzt von H. M. Waßerroth
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Vers. 1.1.1. vom 28.11.2021
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