Die Brandenburger Wassermühlen an der Havel

Die Geschichte des Brandenburger Mühlengewerbes reicht bis in das Mittelalter zurück. Erste Mühlen wurden im 12. Jahrhundert im Stadtgebiet von Brandenburg an der Havel errichtet. Diese Mühlen dienten vornehmlich dem Mahlen von Getreide. Anfänglich dominierten Wassermühlen, daneben entstanden aber auch Windmühlen nach einer um 1300 entwickelten Technik aus Flandern.

Für die Wassermühlen wurden Flüsschen wie die Plane (in Göttin) und die Buckau (bei Neue Mühle) angestaut und genutzt. Die Havel war dafür ungeeignet. Sie hatte in ihrem mittleren Lauf bei Brandenburg ein Gefälle von nur fünf Zentimeter auf einen Kilometer. Es war daher nicht möglich, wie sonst üblich, für den Betrieb von Wassermühlen einen Kanal im Oberlauf abzuzweigen, weil dieser hier eine Länge von 20 km haben müsste, um ein nutzbares Gefälle herzustellen. Daher musste die Havel in ihrer gesamten Breite durch einen Damm aufgestaut werden. Das Stauziel dürfte zwischen 1 und 2 m gelegen haben, was die Anlage von durchweg unterschlägig betriebenen Mühlen begründet. Die Aufstauung im Oberlauf  hatte einen erheblichen Anstieg des Wasserspiegels zur Folge. Dadurch kam es zur Vernässung von Wiesen, ja sogar zur Überflutung slawischer Siedlungen. Auch während des Betriebes des Mühlendammes gab es regelmäßig Beschwerden und Auseinandersetzungen zwischen den widerstreitenden Interessen der Müller, Fischer und Landwirte über das Stauziel.

Erst mit dem Aufstauen der Havel Anfang des 13. Jahrhunderts konnte das gewaltige Potential der Wasserkraft dieses Flusses genutzt werden. Es entstand ein Verbindungs- und Staudamm, der sich in seinem Verlauf an einer Reihe von Inseln in der Havel orientierte, deren größte mit nordsüdlicher Länge von 400 m die Dominsel war, mindestens zwei weitere Inseln folgen. Um die zu überbrückende Distanz so kurz wie möglich zu halten, verband man die Inseln auf dem kürzesten Wege miteinander. Wohl gleichzeitig mit der Anlage dieses Dammes kam es zum Bau der ersten Wassermühlen und wie auch heute noch, befanden sie sich auf der Niederhavelseite. Durch den südlichen Havelarm zwischen der Neustadt Brandenburg und der Dominsel entstand der heutige Mühlendamm. Durch seine Anlage wurde die bis da bestehende alte Fährverbindung vom Neustädtischen Wassertor aufgegeben.

Die mit Anlage der Staudämme südlich und nördlich der Dominsel entstanden Wassermühlen wurden erstmals 1309 erwähnt. In dieser Zeit war der Bau und Betrieb von Mühlen noch landesherrschaftliches Recht, aber bereits im 14. Jahrhundert gelangten die markgräflichen Mühlen in den Besitz der Städte. Im Jahr 1323 erwarb die Altstadt die Mühlen nördlich der Dominsel (Burg- und Krakauer Mühle) und im Jahr 1324 schenkte Markgraf Ludwig seine beiden großen Mühlen (Vorder- und große Mühle) am Mühlendamm gegen einen jährlichen Zins und der Unterhaltungspflicht des Dammes und der Brücken der Neustadt. Der Mühlendamm hatte auch wirtschaftlich noch eine weitere große Bedeutung. Hier befand sich der Holz- und der Fischmarkt. Letzterer hat sich bis in die heutige Zeit erhalten und erfreut sich seiner langen Tradition. Ebenfalls am Mühlendamm erfolgte das Umladen von Schiffsgütern von der Oberhavel zur Unterhavel und umgekehrt, denn Schleusen gab es zu dieser Zeit noch nicht.

      

Der Mühlendamm vor dem Neust. Mühlentor im Jahre 1836 nach einem Bild des Brandenburger Malers Spieker

Slg: H.M.Waßerroth, Foto: unbekannt

     

Das Brandenburger Mühlenwesen gründete sich somit auf die Wassermühlen nördlich und südlich des Domes am extra hierfür angelegten Havelstau.

Trotz zunehmender Nutzung der Dampfmaschinen in späterer Zeit wurde im Mühlenwesen auch noch im 19. Jahrhundert nicht auf die Vorteile der Wasserkraft verzichtet.

Südlich des Domes befanden sich die neustädtischen Mühlen mit Vorder- und Große Mühle als Getreidemühlen und eine um 1700 entstandene Walkmühle, die später mit der Großen Mühle vereinigt wurde. Nördlich des Domes konzentrierten sich die altstädtischen Mühlen mit der Burg- und der Krakauer Mühle. Hinzu kamen noch eine Schneide-, eine Schuster-, eine Gerber-Lohmühle und eine um 1400 errichtete Walkmühle für die altstädtischen Tuchmacher. Diese Walkmühle wurde später mit der Gerber-Lohmühle zur Mittelmühle vereinigt.

1836 brannte die Große Mühle am Mühlendamm. Als Folge des beschwerlichen Wiederaufbaus ist der Entschluss zu verstehen, dass sich die 1715 aus beiden Städten zu Brandenburg an der Havel vereinigte Stadt entschloss, zur Einsparung von Verwaltungs- und Instandhaltungskosten ihre Mühlen in Erbpacht zu geben. Den Erbpachtbesitzern gelang es bald auf Grund eines Gesetzes von 1850 die Erbpacht abzulösen und einen großen Teil der Mühlen in privaten Besitz zu übernehmen. Dadurch verbesserten sich die Voraussetzungen für Investitionen und Innovationen deutlich.

Bereits 1845 ging die Burgmühle an Carl Ludwig August Tiede. Dessen Enkel Arno und Paul erwarben 1898 die im Jahre 1879 durch Brand zerstörte Krakauer Mühle. 1911 kauften sie außerdem die nach einem Brand von 1892 neu aufgebaute Mittelmühle. Außerdem gehörten zu dem nun unter dem Namen "Vereinigte Brandenburger Mühlenwerke" firmierenden Unternehmen der Familie Tiede auch die Deutschen Kekswerke an der Krakauer Straße, von denen heute nur noch die 1880 erbaute Direktorenvilla existiert.

    

Briefkopf der Vereinigten Brandenburger Mühlenwerke A. Tiede, Slg. H. M. Waßerroth

am rechten Bildrand die Keksfabrik, (perspektivisch zur Krakauer Mühle nicht ganz korrekt wiedergegeben)

   

Nach einem erneuten Brand in der Großen Mühle um 1900 wurde diese ebenfalls völlig neu errichtet und ging in den Besitz von Franz Alexander Heidrich über.

Die Konzentration der Brandenburger Mühlen in den Händen dieser beiden großen Brandenburger Mühlenbesitzerfamilien, Heidrich im neustädtischen Teil und Tiede im altstädtischen Teil, war die Voraussetzung für das industrielle Mühlengewerbe, das fortan den Bereich rund um den Dom prägte.

Der Einbau neuer Technik, Erweiterungsinvestitionen, Brände und Wiederaufbau wechselten sich in den folgenden Jahren ab. Die Tiedes ließen die Burgmühle 1906 abreißen und ersetzten sie durch eine moderne Weizenhochmüllerei, die um 1912 um einen Mehlspeicher erweitert wurde. 1912/13 folgte die Modernisierung der Mittelmühle. Die am 17.09.1913 abermals abgebrannte Krakauer Mühle wurde durch einen Rieselspeicher ersetzt. Zum Mühlenensemble der Tiedes gehörten weiter ein Hafen mit Löschanlagen und ein Werkgemeinschaftshaus.

    

Die alte Burgmühle vor ihrem Abbruch nach 1900

Quelle: Stadtarchiv Brandenburg, Foto: unbekannt

 

Blick über die Badeanstalt "Am Grillendamm" auf den Speicher, ehemals Krakauer Mühle,

Slg. H. M. Waßerroth

Foto: unbekannt

     

 

Großfeuer vom 17.09.1913, bei dem die Krakauer Mühle vernichtet wurde, Slg. H. M. Waßerroth

Foto: unbekannt

   

Der Speicher am 01.03.2014, ehemalige Krakauer Mühle, vor dem Umbau zum Wohngebäude,

© H. M. Waßerroth

   

1945 wurden die Mittelmühle und ein Speicher durch einen Brand zerstört. Gleich nach dem Krieg stellten die neuen Machthaber im Mai/Juni 1945 die Werke der Familie Tiede unter treuhändische Verwaltung und am 15.07.1948 folgte die Enteignung. Aus den Tiedeschen Betrieben entstand 1952 der VEB Brandenburger Mühlenwerk.

 

Blick auf den Mühlendamm, auf dieser alten Karte als Fischerdamm bezeichnet um 1956,

vorn deutlich zu erkennen das Mühlengerinne zur Heidrichmühle, Karte nicht gelaufen, Slg. H. M. Waßerroth

 Verlag: Thüringer Volksverlag, Weimar, Foto: unbekannt

  

Die Heidrichschen Mühlen blieben zwar vorerst in Familienbesitz, aber der Staat hatte an der nun als Kommanditgesellschaft auftretenden Firma Anteile erworben. 1972 nötigte man dann den Firmeneigner Franz Joachim Heidrich so weit, dass er nun seine restlichen Firmenanteile verkaufte, damit beide Firmen 1978 schließlich zum VEB Brandenburger Mühlenwerke vereinigt werden konnten.

   

Ein Werbebild des VEB Brandenburger Mühlenwerke, "Betrieb der der ausgezeichneten Qualitätsarbeit"

links die Burgmühle, rechts daneben der Mehlspeicher, ganz rechts die Krakauer Mühle, © H. M. Waßerroth

   

Nach der Wende hatten diese Werke keine Möglichkeit, sich in der Marktwirtschaft zu halten. Man fusionierte zwar noch mit der Flechtorfer Mühle in Lehre/Flechtorf (Niedersachsen), aber die in die Fusion gesetzten Hoffnungen erfüllten sich nicht. Die Flechtorfer Mühle konnte mit ihren bereits bestehenden Produktions- und Lagerkapazitäten den Bedarf der Region Berlin/Brandenburg selbst abdecken.

Am 30. Juni 1993 endete mit der Schließung der Brandenburger Mühlenwerke die 800-jährige Tradition eines der ältesten und bedeutendsten Teile der Wirtschaftsgeschichte von Brandenburg an der Havel.

Fast alle noch existierenden Mühlenbauten sind ab etwa 2000 zu modernen Wohngebäuden mit hoher Wohnqualität und Wasseranbindung umgebaut worden.

          

Neben den großen Wassermühlen gab es in Brandenburg an der Havel begünstigt durch den Havelstau auch einige kleinere Wassermühlen. Den älteren Brandenburgern wird die Mostrichmühle in der Grabenstraße am Ende der beiden Gräben vor der alten Stadtmauer in der Grabenpromenade noch in Erinnerung sein. 1843 erwarb der Müller Moses Pintus die einstige Lederwalkmühle und rüstete sie für die Herstellung von Senf um. Nach Aufgabe der Produktion verfiel die alte Mühle und wurde schließlich 1969 abgerissen. Heute befindet sich an ihrer Stelle nur noch ein kleines Wehr.

     

Die ehemalige Mostrichmühle in der Grabenstraße 7 vom Unterwasser aus gesehen

Quelle: Museum der Stadt Brandenburg, Foto: unbekannt

       

Inneres der Mostrichmühle, die alten Transmissionen wären heute ein einzigartiges technisches Denkmal

Quelle: Museum der Stadt Brandenburg, Foto: unbekannt

    

Die Burgmühle vor dem Großbrand 2002, Slg. H. M. Waßerroth

Foto: unbekannt

    

Die Burgmühle nach der Brandstiftung im Dezember 2002,Slg. H. M. Waßerroth

Foto: unbekannt

     

Das Ensemble Brandruine Burgmühle und der bereits ausgebaute Mehlspeicher, Slg. H. M. Waßerroth

Foto: unbekannt

   

Am 11.12.2002 brannte die leer stehende Burgmühle aus, weil Jugendliche sich auf dem trockenen Holzfußboden ein wärmendes Feuerchen machen wollten. Durch die enorme Hitze des schnell entstandenen Großbrandes wurde das Gebäudemittelteil völlig zerstört. Dieser Mühlenbau ist nun nach erfolgtem Wiederaufbau als moderner Wohnraum in historischem Gemäuer wiedererstanden. Auch die ehemalige Krakauer Mühle wird für exklusiven Wohnraum umgebaut.

  

Die wieder aufgebaute Burgmühle mit dem Mehlspeicher als Wohngebäude, © H. M. Waßerroth

  

Die Heidrichsche Mühle nach dem Umbau für exklusive Wohnzwecke, © H. M. Waßerroth

   

Der Mühlendamm hat sich in den Jahren seines Bestehens ebenfalls der Zeit entsprechend verändert, hat sich den Erfordernissen angepasst. In den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts wurden die hölzernen Brücken durch massive Oberbauten und Flügelwände ersetzt und gleichzeitig wurde der Bürgersteig befestigt. Mit dem Umbau der Mühlen zu Wohnzwecken konnte auf die Gerinne zu den Wasserrädern der Mühlen verzichtet werden. Die meisten Gerinne wurden bei der Sanierung des Mühlendammes 2006 bis 2007 zugeschüttet und die Brücken entfernt. Nur wenige, für die Wasserwirtschaft notwendige Durchlässe sind noch heute erhalten. Auch der historische alte Brandenburger Hauptpegel hat dabei seine Verbindung zum Unterwasser der Havel verloren.

    

Der Fischmarkt am Mühlendamm von der Wasserseite (Oberhavel), dahinter die Heidrich Mühle, vor dem weißen Haus am Mühlendamm das Häuschen des alten Brandenburger Hauptpegels, © H. M. Waßerroth

    

  

aus verschiedenen Quellen

zusammengestellt und bearbeitet von H. M. Waßerroth

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Vers. 1.7.0. vom 27.05.2022

© Harumi Michelle Waßerroth