Die Stadt Brandenburg an der Havel hat
sich seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem
über die Region hinaus bedeutenden Industriestandort
entwickelt. Den Beginn prägte die Tuchfabrikation, die sogar
so erfolgreich war, dass die Brandenburger Tuche 1853 auf der
Pariser Weltausstellung preisgekrönt wurden.
Nach dem Rückgang der Tuchfabrikation
leitete der Aufbau einer Eisengießerei den industriellen Strukturwandel zur
Metallverarbeitung ein. Zum größten Unternehmen entwickelten
sich die Brennabor-Werke, die Kinderwagen, Fahrräder,
Motorräder und Automobile produzierten.
Im zweiten Jahrzehnt des 20.
Jahrhunderts wurde Brandenburg an der
Havel zum Stahlstandort. Der
Industrielle Rudolf Weber (*12.06.1856
in Schneppenkaufen, heute Weidenheim,
†04.01.1932 in Bonn),
seiner Zeit Besitzer der Philipp Weber
GmbH, die in Dortmund und Hostenbach
Stahlwerke hatte, suchte 1912 nahe
Berlin ein geeignetes Grundstück zum Bau
eines neuen Stahlwerkes, in dem der im
nahe gelegenen Industrieraum Berlin
anfallende Schrott angeliefert und
verarbeitet werden konnte. Die rund um
den Standort angesiedelte Industrie
gewährleistete eine hohe Nachfrage nach
Stahlprodukten. Außerdem rechnete er
sich dabei einen bedeutenden
Preisvorteil gegenüber seinen
Konkurrenten im Rheinland und in
Westfalen aus.
Fündig wurde er in Brandenburg an dem
Ende 1910 eröffneten Silokanal. Hier war auch
Eisenbahnanschluss und ein Binnenhafen vorhanden. 1912
erwarb Rudolf Weber ein 800.000 m2
großes Gelände am Silokanal und
begann mit dem Aufbau.
Mit dem Aufbau 1913/14 war das Weberwerk eines der ersten
Stahl- und Walzwerke in Mitteldeutschland.
Gründer Rudolf Weber legte somit den Grundstein für die
heute bereits schon über ein Jahrhundert
währende Stahlherstellung und -verarbeitung in Brandenburg
an der Havel.
Das Werk war von Anfang an als Stahl- und Walzwerk geplant.
Weber ging hierbei von seinen Erfahrungen in Hostenbach aus.
Es wurden zwei Siemens-Martin-Öfen mit je 40 t
Fassungsvermögen gebaut. Die Öfen wurden mit Generatorgas
beheizt. Die Stahlwerkhalle maß 60 x 40 m und das anschließende
Walzwerk 200 x 60 m. Daneben entstand ein kleines zweigeschossiges Verwaltungsgebäude
mit 15 x 11 m. Hier arbeitete bis 1919 die gesamte
kaufmännische und technische Leitung. In einem kleinen Anbau
saß der Werkspförtner.
Am
17. Mai 1914 floss der erste Stahl in Brandenburg. Eine gute
Woche später wurde das Blechwalzwerk in Betrieb genommen.
Das neu errichtete Stahlwerk am Silokanal, Slg. H. M. Waßerroth
Beim Aufbau und Beginn der Produktion erwies sich für Rudolf
Weber und seinem engsten Mitarbeiter, Ludwig Grüter, das
Fehlen von erfahrenen Arbeitern als ein großes Problem.
Brandenburg hatte sich Anfang des Jahrhunderts zwar schon zu
einem Industriestandort mit zahlreichen metallverarbeitenden
Betrieben entwickelt, Schmelzer und Walzwerker gab es jedoch
noch nicht. Daraufhin holte sich Weber aus seiner
saarländischen Heimat erfahrene
Arbeiter und Angestellte mit ihren Familien nach Brandenburg
an der Havel.
Mit seinen zwei Hochöfen produzierte das "Weberwerk" 30.000
t Rohstahl im Jahr.
Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges wirkte sich auf die
allgemeine Industrie- und Wirtschaftsentwicklung des
Brandenburger Stahl- und Walzwerk trotz Aufnahme der
Produktion von Kriegsmaterial
eher dämpfend aus.
Es wurden Granathülsen und Geschossteile gefertigt. Die
Rohstoffbeschaffung erwies sich als größtes Problem. Im Jahr
1917 führte der Mangel an Kohle fast zum Stillstand der
Produktion. Im Herbst wurde dem Werk vom Reichskohlekommissar die Lieferung von Kohle dann
generell gesperrt. Rudolf Weber war gezwungen, das
Werk zu verkaufen.
Einer der größten damaligen Montankonzerne die
„Deutsch-Luxemburgische Bergwerk- und Hütten -
Aktiengesellschaft zu Bochum“ kaufte den Betrieb 1917 und konnte
die Produktion fortführen, da der Hauptaktionär Hugo
Stinnes nicht von der staatlichen Zwangsregulierung
betroffen war. Er verfügte über eigene Kohlereviere.
Die neue Firmierung „Deutsch-Luxemburgische Bergwerks- und
Hütten-AG Abteilung Weber“
wurde aber erst 1919 eingeführt.
Nach dem Krieg erfolgten Werkserweiterungen.
Im Jahr 1919 wurde der 3. Siemens-Martin-Ofen und 1923 der
4. Siemens-Martin-Ofen mit einem Fassungsvermögen von 40 t
gebaut. Die Jahresproduktion stieg auf 96.400 t Rohstahl.
Hinzu kam ein zweites Walzwerk. Zu Beginn der 1920er
Jahre waren 1.350 Mitarbeiter im Weberwerk beschäftigt.
1924 erprobte man im Brandenburger Werk das
Schrott-Kohle-Verfahren (auch als reines Schrottverfahren
oder als Schrott-Kohlungs-Verfahren bezeichnet) und
führte es dann auch ein.
Besonderen Anteil hatten hierbei Otto Weber – ein
Sohn des Gründers – und Josef Sittard. Die technologischen
Grundlagen erarbeitete Rudolf Hennecke in
seiner Promotionsschrift. Bei der Einführung des
Schrott-Kohle-Verfahrens kam es darauf an, teures Stahleisen
(manganhaltiges Roheisen) als Einsatzstoff einzusparen.
Die Geschicke des Weberwerkes lag in den Händen der Brüder Hennecke,
Neffen von Rudolf Weber. Sie hatten bis 1945 die
Betriebsleitung inne. Dr. Rudolf Hennecke (*27.07.1890 in Altenhundem,
Westf., †27.08.1985 in Bonn)
war von 1917 bis 1945 technischer Direktor des Stahl- und Walzwerkes
Brandenburg. Sein Bruder
Arthur Hennecke (*19.11.1888 in Altenhundem,
Westf., †13.05.1959 in Düsseldorf)
war kaufmännischer Direktor. Zwei Söhne von Rudolf Weber
arbeiteten ebenfalls im Werk.
Foto: unbekannt
Die Werksanlagen der
Deutsch-Luxemburgischen Bergwerks- und
Hütten-Aktiengesellschaft, Abteilung Weber, Brandenburg
(Havel) in den 1920er Jahren von Nordwest gesehen, Slg. H. M. Waßerroth
Foto: unbekannt
Stahlabstich im Werk der
Deutsch-Luxemburgischen Bergwerks- und
Hütten-Aktiengesellschaft, Abteilung Weber, Brandenburg
(Havel) in den 1920er Jahren, Slg. H. M. Waßerroth
Foto: unbekannt
Walzwerker beim Blechwalzen der Deutsch-Luxemburgischen
Bergwerks- und Hütten-Aktiengesellschaft, Abteilung
Weber, Brandenburg (Havel) in den 1920er Jahren, Slg. H.
M. Waßerroth
Foto: unbekannt
Halle des Blechwalzwerkes der
Deutsch-Luxemburgischen Bergwerks- und
Hütten-Aktiengesellschaft, Abteilung Weber, Brandenburg
(Havel) in den 1920er Jahren, Slg. H. M. Waßerroth
1920 übernahm das Walzwerk
die Kleinhaussiedlung Wilhelmshof an der Magdeburger
Landstraße. Die Siedlung umfasste 230
Wohnungen und hatte etwa 1.000 Bewohner. Es waren 1 ½ bis 3
Zimmerwohnungen. Der Mietpreis lag für Werksangehörige
zwischen 21 und 37 Mark. Die Wohnungen besaßen eine Toilette
und ein kleines Bad. Am Anfang der
1930er Jahre wurde im Auftrag der Werksleitung die
Wohnsiedlung Wilhelmshof ausgebaut. Von der Norddeutschen
Siedlungs-Gesellschaft und der Plauer-See Heimstätten GmbH
entstanden 1.600 Wohnungen sowie zahlreiche Eigenheime.
Die noch heute gebräuchliche Bezeichnung „Walzwerksiedlung“
stammt aus diesen Jahren.
Aufnahmen der Siedlung Wilhelmshof
an der Magdeburger Landstraße auf einer 1929 gelaufenen
Ansichtskarte,
Slg. H. M. Waßerroth
Verlag: unbekannt, Foto: unbekannt
An der Magdeburger Landstraße entstand in den Jahren 1925/26
die repräsentative Hauptverwaltung mit Nebengebäuden. Das
gesamte Ensemble mit Casino wurde von dem Architekten
Wilhelm Rave entworfen.
Der Großindustrieelle Friedrich Flick erwarb 1926 den
Betrieb und gründete die Mitteldeutsche Stahlwerke AG. Das Weberwerk
wurde dazu aus der Deutsch-Luxemburgischen Bergwerks- und
Hütten-AG ausgegliedert und von der Mitteldeutschen
Stahlwerke AG als
Stahl- und Walzwerk Weber übernommen. Das Werk gehörte nun gemeinsam
mit den Betrieben in Gröditz, Lauchhammer, Burghammer,
Witthenau, später auch Hennigsdorf zu der neu gegründeten
Mitteldeutschen Stahlwerke AG.
Es folgten weitere Erweiterungen der Produktionsanlagen.
1930 ist das Fassungsvermögen der vier Siemens-Martin-Öfen
auf 60 t erhöht worden. Die Rohstahlproduktion stieg 1934
auf 245.000 t.
Das Mitteldeutsche Stahlwerk aus
Richtung Magdeburger Landstraße auf einer gelaufenen
Postkarte um 1935 gesehen,
Slg. H. M. Waßerroth
Verlag: unbekannt, Foto: unbekannt
Das Stahlwerk vom
Silokanal gesehen, Slg. H. M. Waßerroth
Verlag: unbekannt, Foto: unbekannt
Im August 1936 erteilte das Oberkommando des Heeres der
Firma Mitteldeutsche Stahlwerke AG in Brandenburg/Havel als
Bautreuhänder die Aufträge zum Bau des Quenz-Werkes und
P-Werkes.
Diese Werke waren Eigentum der Verwertungs-Gesellschaft für
Montanindustrie und wurden von der Brandenburger Eisenwerke
GmbH betrieben.
Daraufhin gründete sich 1937 die neue Betriebsform
„Mitteldeutsche Stahl- und Walzwerke Friedrich Flick
Kommanditgesellschaft“. Dazu gehörten die Betriebe in
Brandenburg und Hennigsdorf.
Nach der Fusion mit dem Flick-Unternehmen expandierte das
Unternehmen erheblich, unterstützt durch die
Aufrüstungspolitik Deutschlands und die stärkere Nachfrage
nach Rüstungsgütern.
1938 ist der Rundbau als Verwaltungs- und Sozialgebäude errichtet
und eingeweiht worden. Mit der neu angelegten Allee
war der Rundbau der neue repräsentative Werkseingang.
1939 feierte das Weberwerk sein 25 jähriges
Betriebsjubiläum. Neben den offiziellen Festlichkeiten gab
es auch eine Festschrift und eine Gedenkplakette, die in
Lauchhammer gegossen wurde.
Gedenkplakette von 1939
Bis 1940 erfolgte eine weitere enorme Erweiterung der
Produktionsanlagen auf 4 Siemens-Martin-Öfen mit je 100 t
Fassungsvermögen, 3 Siemens-Martin-Öfen mit je 150 t Fassungsvermögen
und 4 Elektroöfen mit einem Fassungsvermögen von je 50 t.
1939 ging das neue Walzwerk III für die Fertigung von
Panzerblechen in Betrieb.
1939/40 folgte der Bau des P-Werkes - Panzerwerkes - und des
Quenz-Werkes entlang der Magdeburger Landstraße.
Das Quenzwerk war für die Fertigung von Panzergehäusen
vorgesehen und das P-Werk zunächst für die Fertigung von
Panzerkuppeln aus Gussstahl. Später ist das P-Werk mit für
die Panzerfertigung genutzt worden. Die Panzer waren ohne
Antrieb und Innenausstattung. Die Endfertigung erfolgte in
Spandau, einem zur F. Flick KG gehörendem Stahlbetrieb. Zum
Ende des Krieges wurde die Produktion von Panzerwagen des
Typs Panther auf 500 Stück je Monat gesteigert.
Kartenausschnitt eines
Messtischblattes von Brandenburg an der Havel der
Hauptvermessungsabteilung IV von 1940,
Slg. H. M. Waßerroth
Ab Ende 1942 gehörte eine Halle des
Reichsbahn-Ausbesserungswerkes in Kirchmöser als eine
weitere Panzerfertigungsstätte zum Unternehmen. Im Eigentum
der montaneigenen Werke standen zur Unterbringung von etwa
7.000 Menschen auch drei Barackenlager.
Während des Zweiten Weltkrieges stieg
die Rüstungsproduktion massiv an. Kriegsgefangene aus dem Quenzlager
wurden im Werk zur Arbeit eingesetzt. 1944 sind 720.000 t
Rohstahl produziert worden.
Die Produktion in den Werken lief bis April 1945. Im
Gegensatz zum Opelwerk und der Arado-Flugzeugwerke wurde das
Stahlwerk nicht von Bomben zerstört. Erst während der
letzten großen Angriffe auf die Stadt Brandenburg kam es zum
Stillstand der Produktion. Das Brandenburger Stahl- und
Walzwerk erlitt auch bei diesen Angriffen keine größeren
Schäden. Die meisten leitenden Angestellten verließen im
April/Mai den Betrieb und die Stadt Brandenburg in Richtung
Westen. Ihre Familien und Angehörigen waren schon voraus
geschickt worden.
Nach der Besetzung der Stadt Brandenburg durch die russische Armee
übernahm der russische Militärkommandant Oberst Wolkow den
Oberbefehl über die Stadt. Zur
Ausführung der Befehle
und Anordnungen wurde eine neue Verwaltung eingesetzt.
Dem Neuaufbau und der Wiederaufnahme der Produktion in den
Betrieben standen aber sehr bald die Befehle der
Besatzungsmacht zur Demontage der Rüstungsbetriebe entgegen.
Nach den Beschlüssen der Potsdamer Konferenz zur Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen
legte die jeweilige Besatzungsmacht individuell die Höhe der
Reparationsansprüche fest. Das Stahl- und Walzwerk wurde enteignet und dem
Brandenburger Magistrat in Treuhandschaft übergeben.
In den Verwaltungsgebäuden des Stahlwerkes waren sowjetische
Militäreinheiten untergebracht. Das Casino wurde Lazarett. Unter Leitung der sowjetischen Militärkommandantur mit
der Demontage der Werksanlagen begonnen worden. Für die
Bereitstellung der Arbeitskräfte war das Arbeitsamt
zuständig. Da die männlichen Arbeitskräfte nicht ausreichten, mussten auch viele Frauen schwerste
körperliche Arbeit übernehmen. Die Anlagen, Maschinen und
Geräte wurden demontiert und für den Transport in die
Sowjetunion akribisch nummeriert und verpackt.
Der Abbau der Produktionsanlagen erfolgte mit so genannten
Demontagekolonnen unter Aufsicht der russischen
Militärkommandantur. Sämtliche Werksanlagen des Stahlwerkes mit
seinen 7 Siemens-Martin-Öfen, 4 Elektroöfen, Walzwerken I, II
und III, dem Panzerwerk, dem Quenzwerk, sämtliche
Gleisanlagen mit Loks und Wagen, die Mechanische Werkstatt, Walzendreherei, Magazin, Labor, der Schrottplatz mit
Schrottpresse und Kräne
und die Gießerei sind komplett demontiert worden. Nach dem
Leerräumen haben die Russen dann die Produktionsgebäude und
-anlagen gesprengt. Das was
übrig blieb hätten Bomben nicht viel schlimmer übrig
gelassen.
Das ist das, was nach der Demontage und den Sprengungen
1946/47 von unsren russischen "Freunden" vom
einstigen Stahlwerk übriggeblieben war. Zur Orientierung: am linken Bildrand am Horizont die
Städtebahnbrücke als einzige erhaltene der 6 Brücken über
den Silokanal, in Bildmitte ganz hinten die Reste des
Opelwerkes mit dem Schornstein des Kraftwerkes,
Slg. H. M. Waßerroth
Foto: unbekannt
Auf dem II. Parteitag der SED 1947 wurden Beschlüsse zum
Neuaufbau der Wirtschaft und Verwaltung, wie der Neuaufbau
der Schwerindustrie gefasst. Im Mai 1949 startete dann die Stadt
Brandenburg und die
Kreisleitung der SED Aktivitäten und Bemühungen für den
Neuaufbau eines Stahl- und Walzwerkes in der Stadt
Brandenburg/Havel auf dem Gelände
der ehemaligen Mitteldeutschen Stahl- und Walzwerke
Friedrich Flick KG.
Anfang Juli 1949
begannen Enttrümmerungsarbeiten auf dem ehemaligen
Werksgelände. Die Landesregierung stellte zusätzliche Mittel
zur Verfügung. Im Dezember wurden bereits über 500 Frauen und
Männer eingesetzt.
Am 15. September 1949 erfolgte die Inbetriebnahme einer
Feinstahlstraße und am 13. Oktober die erste Walzung an
einer Grobblechstraße im VEB Walzwerk "Willy Becker" Kirchmöser in der
Halle der ehemaligen Lokreparaturwerkstatt des
Reichsbahnausbesserungswerkes. 1957 ist dieser Betrieb dem
Stahl- und Walzwerk Brandenburg angegliedert worden.
Nach der Gründung der Deutschen
Demokratischen Republik
wurde noch 1949 beschlossen, das Brandenburger Werk wieder
aufzubauen. Bereits im
November 1949 begannen die Planungsarbeiten für den
Neubau des Stahl- und Walzwerkes. Die Leitung übernahm
Dipl.-Ing. Friedrich Franz.
Im Dezember 1949 erfolgten erste Reparaturarbeiten an Rundbau, Schmiede und
Labor. Vor dem Rundbau wurden einige Küchen- und
Wirtschaftsbaracken und mehrere Wohnbaracken
errichtet.
Das Zentrale Konstruktionsbüro erarbeitete acht
Projektvorlagen mit Grundrisszeichnungen, wobei zunächst
eingehend geprüft wurde, ob die alte Lage der Werksanlagen
rechtwinklig zum Kanal unter Nutzung der
verbliebenen Fundamente und Kamine beibehalten werden kann.
Das Ergebnis der Untersuchungen ergab aber, dass der Neubau der
Stahlwerkshalle und damit in Verbindung die
Schornsteine und die Generatoren parallel zum Silokanal
erfolgen sollten.
Werksaufbau, Aufnahme vom
17.01.1958
Quelle: Bundesarchiv, Foto: Krueger
Der Wiederaufbau des Stahl- und Walzwerkes Brandenburg ist
untrennbar mit dem persönlichen Engagement und Können von
Dipl.-Ing. Friedrich Franz verbunden.
Die Stahlwerker nannten ihn liebevoll „Unser Papa Franz“.
Friedrich Franz wurde am 25.08.1889 in Olbernhau/Erzgeb. geboren.
Nach seinem Studium an der Bergakademie in Freiberg sammelte
er umfangreiche Erfahrungen als Ingenieur in mehreren
Stahlwerken, in denen er tätig war. Ab November 1947 hatte
er die Leitung der Planungs- und
Wiederaufbauarbeiten für das Stahl- und Walzwerk in
Brandenburg inne und wurde 1950 Technischer Direktor des
Werkes.
1956 beendete er seine Tätigkeit im Stahlwerk. Am 15.10.1969
verstarb Friedrich Franz in Brandenburg.
Der volkseigene Betrieb Stahl- und
Walzwerk Brandenburg entwickelte sich
mit insgesamt zwölf Siemens-Martin-Öfen
zum führenden Stahlhersteller der DDR. 1974 wurden über
2.000.000 t Rohstahl geschmolzen.
Im Jahre 1969 wurde die stahlproduzierende Wirtschaft in
verschiedene Kombinate aufgeteilt. Durch Gemeinsamkeiten der
Industriestruktur wurden miteinander verflochtene
Unternehmen einem Leitbetrieb, dem sogenannten Stammbetrieb, unterstellt.
Das Unternehmen in Brandenburg war Mitglied des VEB
Qualitäts- und Edelstahl-Kombinates und wurde 1979
Stammbetrieb dieses Kombinates.
Am Ofen V in der Ofenhalle, Aufnahme vom
13.07.1962
Quelle: Bundesarchiv, Foto: Stöhr
Arbeit der Schmelzer am Ofen V,
Aufnahme vom 13.07.1962
Quelle: Bundesarchiv, Foto: Stöhr
Die Gießgrube in der Gießhalle, Aufnahme vom
10.09.1959
Quelle: Bundesarchiv, Foto: Zühlsdorf, Erich
Der Stahl wird in Kokillen
gegossen, Aufnahme vom 21.03.1959
Quelle: Bundesarchiv, Foto: Sturm, Horst
In der Walzenstraße, Aufnahme vom
22.08.1961
Quelle: Bundesarchiv, Foto: Kohls, Ulrich
Quelle: Filmmuseum Potsdam,
CC BY-NC-SA 3.0 DE
Film
"Stahl aus Brandenburg" aus dem Zentralen
Amateurfilmstudio Stahl- und Walzwerk Brandenburg,
eine Dokumentation von 1969 unter der Regie von
Ingrid Riebel
Quelle:
Filmmuseum Potsdam,
CC BY-NC-SA 3.0 DE
Film "Wir im
20. Jahr der Gründung der DDR" aus dem Zentralen
Amateurfilmstudio Stahl- und Walzwerk Brandenburg, eine
Dokumentation von 1969 von Heinz Ebert
(sollten die Videos in
Internetexplorer nicht angezeigt werden, versuchen Sie es bitte
im Kompatibilitätsmodus)
In allen volkseigenen Betrieben war die Organisation der
Produktion und die Struktur des Betriebes ähnlich.
So gehörten außer den Hauptproduktionslinien auch alle
Hilfs- und Nebenbereiche zum Werk. Die Produktion gliederte
sich in Brandenburg in die Bereiche Siemens-Martin-Stahlwerk,
Walzwerk, Elektrostahlwerk, kontinuierliche
Drahtstraße, Walzwerk Kirchmöser und Konsumgüterproduktion.
Der Anordnung der Partei- und Staatsführung der DDR zur
Konsumgüterproduktion wurde im Stahlwerk Brandenburg mit der
Herstellung von Holzspielzeug begonnen. Weitere Erzeugnisse waren
PKW-Anhänger,
PKW-Bootsanhänger und
Boulevardmöbel.
Die Beschäftigtenzahlen als damals größter Arbeitgeber in
Brandenburg an der Havel stiegen in der ersten Hälfte der
1980er Jahre auf über 10.000 Beschäftigte insgesamt.
Zum Stahl- und Walzwerk Brandenburg gehörten auch eine immer
mehr wachsende Anzahl von Werkswohnungen.
1954 wurde die erste Arbeiterwohnungsbaugesellschaft gegründet.
Am Neuendorfer Sand begann der Bau
der ersten Reihenhäuser. In den
Folgejahren konnten den Stahl- und Walzwerkern und ihren
Familien die begehrten Neubauwohnungen übergeben werden.
1985 hatte der Betrieb 1726 Wohnungen.
Wohnungsbau im Am Neuendorfer
Sand, dahinter die Häuser am Hessenweg, Aufnahme vom
12.11.1954
Im Jahre 1977 begannen Arbeiten für die Errichtung eines
neuen Stahlwerkes mit zwei 125t-Elektroöfen, zwei 8-adrigen
Stranggussanlagen und einer Produktionsleistung von 600.000
t/Jahr. Der Anlagenhersteller Danieli bat die Riva-Gruppe,
das Projekt mit ihrem Know-how zu unterstützen. Somit wurde
der Name Riva erstmals in Brandenburg bekannt und geschätzt.
Das Werk nahm im April 1980 die Produktion auf, 1981 folgte
die kontinuierliche Drahtstraße. 1986 ist das
Elektrostahlwerk umfangreich modernisiert worden und erhielt 1989 einen
Pfannenofen.
Nach dem Fall der Berliner Mauer im November 1989 löste man die Kombinate auf.
Das Brandenburger Werk wurde am
01.05.1990 von der
Treuhandanstalt (der Privatisierungsbehörde für die
staatseigenen Betriebe der Deutschen Demokratischen
Republik) in eine Aktiengesellschaft mit beschränkter
Haftung umgewandelt.
Im März 1992 lagerte die Treuhandanstalt die veralteten
Anlagen aus und verkaufte das Elektrostahlwerk und die
kontinuierliche Drahtstraße an die Brandenburger
Elektrostahlwerke GmbH, das Unternehmen, das die Riva-Gruppe
eigens für die Übernahme gegründet hatte. Unter der
Riva-Geschäftsleitung ist ein umfangreiches
Modernisierungsprogramm in Höhe von 140 Millionen € in die
Wege geleitet worden, um Qualität, Organisation und
Umweltschutz zu verbessern. Außerdem
wurde zur Erweiterung der Produktionslinie in der
Weiterverarbeitung ein vollständig neuer Bereich zur
Herstellung von elektrogeschweißten Betonstahlmatten gebaut.
Das Elektrostahlwerk der Riva
Gruppe
Quelle:
Riva Gruppe, Foto: unbekannt
Im alten Siemens-Martin-Werk gingen dann nacheinander die Öfen aus.
Der letzte Abstich fand am 13.12.1993 am Ofen X statt, die letzte
Walzung am 15.12.1993 auf der 1120er Brammenstraße, sie war
die größte und leistungsstärkste Walzenstraße der DDR,
und am 19.12.1993 auf der 850er Formstahlstraße. Die Anlagen wurden
zurückgebaut, Gebäude abgerissen. Nach der Stilllegung des
Stahl- und Walzwerkes zum 31. Dezember 1993 begann eine
umfangreiche Projektentwicklung für die Umstrukturierung des
über 800.000 m² großen Geländes zu einem modernen Industrie-
und Gewerbepark. Die Gebäude der Hauptverwaltung, zwei
Nebengebäude der Hauptverwaltung, das Klubhaus,
der Rundbau und die Gebäude der Produktionsleitung wurden
unter Denkmalschutz gestellt. Weithin sichtbares Zeichen der Umgestaltung
war der Wegfall der markanten Schornsteinsilhouette am Silokanal.
Erhalten blieb der Ofen XII und diverse
Ausrüstungsgegenstände als Exponate für das neu gegründete
Industriemuseum in einem Teil der einstigen Stahlwerkshalle.
Seit dem 1. April 1992 besteht das Industriemuseum
Brandenburg an der Havel mit dem letzten Siemens-Martin-Ofen
Westeuropas, dem einstigen Ofen XII, als Technisches
Denkmal.