Schiff- und Bootsbau in Brandenburg an der Havel
- Die Werften -
Die Havel wurde seit jeher in ihrem Unter- und Mittellauf
für die Schifffahrt genutzt. Brandenburgs Lage zu beiden
Seiten dieses Flusses profitierte natürlich davon. Auch die
Seen in der Umgebung mit ihrem Fischreichtum waren Grundlage
für das Fischereihandwerk. Infolgedessen entwickelte sich im
Laufe der Zeit ein Schiff- und Kahnbau, der bereits im 16.
Jahrhundert erwähnt wird.
Mehrere Werften entstanden an der Havel, die
Schiffsreparaturen vornahmen, aber auch Schiffsneubau
betrieben. Aus den letzten beiden Jahrhunderten sind eine
Reihe Schiffswerften namentlich bekannt. So bestand in der
Altstadt Brandenburg die Schiffbauerei von Wilhelm Kurzbach
bis 1852 an der Stelle, wo ein Jahr später die Altstädtische
Wassertorpromenade entstand. Dann wechselte sie bis zum Bau
der Luckenberger Brücke 1890 an das dortige Havelufer. Auf
der Neustädter Seite entwickelte sich ab 1887 zwischen Havel
und Packhofstraße die Wiemann-Werft. Diese Werft wurde bald
durch ihren vielfältigen Schiffsbau weithin bekannt und
geschätzt. Sie war die größte und bedeutendste Werft in
unserer märkischen Region. Weiterhin gab es dann noch die
Mette-Werft und einige kleinere Betriebe wie die von Max
Grunow, Friedrich Krüger und der GmbH Steintransport
Brandenburg a. H.. Sie bauten hauptsächlich Schleppkähne,
vorwiegend aus Holz oder im Kompositbau. Die Zeit des Ersten
Weltkrieges überstanden sie aber nicht.
Die Wiemann Werft auf einer Postkarte
von um 1910, Slg. H. M. Waßerroth
Verlag: unbekannt, Foto: unbekannt
Auch im damals noch selbständigen Städtchen Plaue an der
Havel gab es mehrere Werften. Die längste Tradition als
Schiffbauplatz hat die Werft in der Großen Mühlenstraße,
heute Nr. 13. Hier befanden sich nacheinander die Werften
von Gustav Rochow, Hermann Schütze,
Busse & Biermann und Walter & Voss, die dann in die Plauer
Volkswerft überging. Etwas aufwärts der Havel von dieser
Werft befand sich die Werft von Friedrich Siedler, der erst
in der Werft von Gustav Rochow als Polier gearbeitet hatte.
1875 machte er sich selbständig und richtete auf dem Werder
an der kleinen Dipte einen Bauplatz etwas
unterhalb der Werft in der Großen Mühlenstraße ein. Drei
Jahre später kaufte er den an der Havel gelegenen
Zimmerplatz Meinicke, Große Mühlenstraße 1. Eine zweite
Werft legte Siedler neben dem Schleusenvorhafen an der
Plauer Schleuse 1889 an. Sie existierte bis 1908. Beide
Werften waren vornehmlich auf den Bau und die Reparatur von
Schleppkähnen spezialisiert. Die Werft in der Großen
Mühlenstraße 1, 1893 von seinem Sohn Wilhelm übernommen,
schloss 1930 wegen Auftragsmangel. Der bereits 1888 von
Siedler aufgegebene Bauplatz auf dem Werder wurde
anschließend von Schiffsbaumeister August Zschau gepachtet.
1911 hatte hier der letzte Kahn seinen Stapellauf.
Oberhalb der Plauer Schleuse, am Kanal, der Mitte des 18.
Jahrhunderts errichtet wurde, befand sich ab 1908
die Schiffswerft Dähne. Sie war die erste Schiffbauerei der
Gegend, die mit einem Sandstrahlgebläse ausgerüstet war und über ein eigenes
Trockendock verfügte. 1928 wurde die Werft geschlossen.
H. Dähne betrieb auch die Gaststätte am Vorhafen der Plauer
Schleuse, die heute noch als Restaurant "Seeblick"
existiert.
Dähnes Restaurant am Vorhafen
der Plauer Schleuse auf einer am 22.04.1907 gelaufenen
Postkarte, Slg. H. M. Waßerroth
Verlag: unbekannt, Foto: unbekannt
Ausschlaggebend für die Reduzierung der Werften war der
zunehmende Bau von Schiffen aus Eisen. Hier sank der
Reparaturaufwand erheblich. Auch die Zahl der ansässigen
Schiffer ging immer mehr zurück..
Vor allem in der ersten Hälfte des 20.
Jahrhunderts gab es auch mehrere Bootswerften in Brandenburg an der
Havel. Hier sind bekannt die Betriebe von Hermann Simon,
Werner Metz, Georg Schumacher, Kurt Vollbrecht und Anton
Hohmann. Die Bootswerft Hohmann ist am Wiesenweg noch heute
ansässig und hat als Boots- und Wassersportzentrum einen
Namen.
Ihre frühere Bedeutung als Schiffbauzentrum hat die Stadt
Brandenburg aber verloren.
- Die Wiemann- / Thälmann-Werft -
Foto: unbekannt
Die Schiffswerft,
Maschinenfabrik und Eisengießerei der Gebr. Wiemann am
Packhof in den 1920er Jahren,
Slg. H. M. Waßerroth
Die Erfolgsgeschichte der Wiemann-Werft
begann am 01.03.187 mit der Gründung einer Schlosserei in
der Steinstraße 23 durch den Unternehmer Carl Wiemann. 1877 trat
der Bruder Carl Wiemanns, Wilhelm Wiemann, als Teilhaber in
den Betrieb ein. Fortan firmierte das Unternehmen nun unter
dem Namen 'Gebrüder Wiemann'. Auf Grund der guten
Entwicklung dieses Betriebes reichte bald das in der
Steinstraße zur Verfügung stehende Gelände nicht mehr aus.
Über mehrere andere Standorte wechselte man dann 1887 auf
das Areal zwischen Packhof und Havel nahe der damaligen
Langen Brücke.
Das Gelände der Schiffswerft,
Maschinenfabrik und Eisengießerei der Gebr. Wiemann 1905,
Slg. H. M. Waßerroth
Verlag: unbekannt, Foto: unbekannt
Rechts die Schiffswerft Gebr. Wiemann,
der rauchende Schornstein gehört zur Firma August Spitta
Söhne, um 1924,
Slg. H. M. Waßerroth
Foto: unbekannt
Dem technischen Fortschritt entsprechend
wurde ab 1885 ein Dampfkessel aufgestellt und die
Maschinenschlosserei avancierte zur Maschinenfabrik.
Hauptauftraggeber für die produzierten Geräte und Maschinen
waren die hiesigen Ziegeleien. 1889 kam eine eigene
Eisengießerei als Produktionserweiterung hinzu. Mit dem
allmählichen Rückgang der Ziegelindustrie suchte das
Unternehmen sein neues Umfeld in der Schiffsreparatur
und ab etwa 1900 im Schiffsneubau. Bereits im Jahre 1890
wurde ein moderner Längsslip in Betrieb genommen. Vornehmlich
mit Schiffsschrauben betriebene Dampfschlepper und
Personendampfer für die märkischen Gewässer, aber auch
andere Schiffstypen verließen die Betriebsanlagen der
Wiemann-Werft. Sogar Seeschiffe für die Küstenschifffahrt in
den 1930er Jahren und Exporte entstanden hier in
Brandenburg.
Während des Zweiten Weltkrieges musste
auch die Schiffswerft, Maschinenfabrik und Eisengießerei der
Gebr. Wiemann Rüstungsgüter produzieren. Es wurden u.a.
Marine-Fähr-Prahme produziert. Für Neubau und
Schiffsreparaturen standen ein 35 t Schwimmkran, ein
Ausrüstungskai eine Schiffbauhalle und eine Slipanlage mit 8
Wagen und elektrischem Antrieb zur Verfügung. Bis 1945
wurden etwa 380 Schiffsneubauten realisiert. Die Belegschaft
schwankte zwischen 300 und 500 Mitarbeitern.
Blick zur Gotthardt-Kirche,
rechts die Schiffswerft der Gebr. Wiemann, Anfang 1940er
Jahre,
Slg. H. M. Waßerroth
Verlag:
Hans Andres, Berlin, Foto: Hans Andres, Berlin
Gegen Kriegsende wurde der Betrieb der
Gebr. Wiemann bei den schweren Luftangriffen am 31.03. und
20.04.1945 und den Kämpfen bei der Einnahme der Stadt von
den Russen erheblich zerstört. Was noch brauchbar erschien,
wurde wie in anderen Betrieben auch nach Kriegsende auf
Weisung der russischen Militärs demontiert und Richtung
Sowjetunion abtransportiert.
Außerdem begann man das Gelände zu
enttrümmern. Schon bald folgten erste Schiffsreparaturen und
ab 1946 begann auch der Schiffsneubau wieder. Die erste
Kiellegung war am 01.10.1946 und der Stapellauf am
29.04.1947. Dies waren seetaugliche Fischereifahrzeuge vom
Typ "Seiner" als Reparationsleistungen.
Ausgehend von den Befehlen Nr. 124 vom
30.10.1945 und Nr. 97 vom 29.03.1946 der Sowjetischen
Militäradministration in Deutschland wurde am 22.04.1947 der
Betrieb der Gebr. Wiemann enteignet und am 02.02.1948 in
Volkseigentum überführt.
Die Schiffswerft,
Maschinenfabrik und Eisengießerei der Gebr. Wiemann Anfang
der 1920er Jahre,
Slg. H. M. Waßerroth
Karte am 24.02.1925 gelaufen
Verlag:
Leipziger Kunstverlag, Foto: unbekannt
Blick von der
Jahrtausendbrücke auf die Thälmann-Werft 1962 kurz vor der
Betriebsschließung, Slg. H. M. Waßerroth
Verlag: VEB Bild
und Heimat, Reichenbach, Foto: Billhard
Nun unter dem Namen Volkswerft "Ernst
Thälmann" war die Werft der bedeutendste Schiffbaubetrieb
seiner Zeit in der Region. Am 01.05.1960 wurde die Werft
umbenannt in VEB Ernst-Thälmann-Werft Brandenburg und sie
gehörte fortan zum zentral geführten Schiffbau der DDR.
Trotz ihrer Bedeutung stellte die Thälmann-Werft auf
Beschluss des Volkswirtschaftsrates der DDR zum 31.12.1962
ihre Produktion ein und wurde aufgelöst. Ihre Arbeitskräfte
wurden dringender zur Erfüllung der Aufgaben aus dem
Volkswirtschaftsplan im Stahl- und Walzwerk Brandenburg und
im Traktorenwerk benötigt. Außerdem war die Lage der Werft
innerhalb der Stadt sehr ungünstig.
Stapellauf 1948, Slg. H. M. Waßerroth
Foto: unbekannt
In der kurzen Zeit ihres Bestehens als
Volkswerft bzw. VEB verließen immerhin 367 neu gebaute
Schiffe die Werft, wovon 261seegehende Fischereifahrzeuge
waren. Insgesamt 311 Schiffe gingen an ausländische
Abnehmer. Bis Ende 1953 waren Lieferungen an die UdSSR
Reparationsleistungen, ab 1954 dann Exporte. Zum
Produktionsumfang im Neubau gehörten Schlepper, Eisbrecher,
Versorgungsschiffe, Tonnenleger, Schuten, Stoßboote, Kutter,
Strommeisterboote und sogar Fahrzeuge für die Seepolizei der
DDR. Weiterhin wurden Schiffsreparaturen aller Art
ausgeführt. Zur Realisierung all dieser Produktionsaufgaben
sind die Betriebsanlagen ausgebaut und erweitert worden.
Ende 1958 endete die Serienproduktion für die Sowjetunion.
Dadurch kam es in Folge zu Auslastungsproblemen. Ein
Fußfassen auf dem westlichen Markt hatte wenig Erfolg. Nur
einige Schiffe konnten nach Island (18), Schweden (15) und
Dänemark und (10) verkauft werden.
Nach Auflösung der Thälmann-Werft
firmierte hier die Fahrgastschifffahrt "Weiße Flotte",
Aufnahme von 1968,
Karte am 17.07.1968 gelaufen, Slg. H. M. Waßerroth
Verlag: VEB Bild
und Heimat, Reichenbach, Foto: Darr
Heute erinnert nichts mehr an
die einst für Brandenburg so bedeutende Wiemann-Werft, Blick
von der Jahrtausendbrücke 08.10.2014, © H. M. Waßerroth
- Die Werft Walter & Voss / Plauer Schiffswerft -
Blick zur Werft auf einer
Postkarte von 1965, Slg. H. M. Waßerroth
Verlag: unbekannt, Foto: unbekannt
Als erste Schiffbauerei in Plaue an der
Havel nahm im Jahr 1857 die von Gustav Rochow in der Großen
Mühlenstraße 2a (heute Nr. 13) ihren Betrieb auf. Durch die
anfänglich gute Auftragslage konnten durchschnittlich bis
zu 20 Gesellen beschäftigt werden. Im Jahr 1891 schloss
Rochow die Schiffbauerei. Kurze Zeit später wurde die Werft
von Herrmann Schütze übernommen. Aber er gab nach 5 Jahren
wieder auf. Die Werft stellte den Betrieb ein und das
Gelände wurde nun landwirtschaftlich genutzt. Im Jahr 1902
übernahm die Firma Busse und Biermann diese Werft und
richtete sie neu ein. Die Auftragslage war gut und so erwarb
diese Firma 1928 auch das
ehemalige Grundstück der Ziegelei Michel am Wendsee
und baute hier eine zweite Werft auf. Beide Werften
rentierten sich bis 1934. Der danach folgende Auftragsmangel
führte letztendlich 1936 zum Konkurs.
1940 übernahm dann die Berliner Firma „Walter und Voß“ die
Schiffswerft Busse und Biermann. Sie kaufte einen Teil des
ehemaligen Ziegelei-Grundstückes Hummel dazu um das Terrain
zu vergrößern.
1940 wurde eine Maschinenhalle gebaut.
Im Zweiten Weltkrieges lieferte die Werft wie viele Betriebe
Teile für die Rüstungs-Industrie. Belgier, Holländer und
Russen arbeiteten in der Werft.
Zum Kriegsende flüchtete Mitinhaber Voss
in den Westen. Sein Partner Walter, ab 14.04.1946
inhaftiert, ging nach seiner Freilassung im Februar 1950
nach Westberlin.
Zunächst produzierte die nach dem Krieg
enteignete Plauer Werft Kochherde, Handwagen, Ofenrohre und
Teile für das Walzwerk und
Eisenbahnwerk Kirchmöser. Auf Weisung der Roten Armee hatten
Werftarbeiter auch bei der Hebung und Instandsetzung der
gesprengten Plauer Brücke mitzuhelfen.
Die Werft hieß bis
1951 „Schiffswerft Plaue“ und wurde dann an die Volkswerft
"Ernst Thälmann" in Brandenburg an der Havel (vormals
Wiemann-Werft) angeschlossen. Nun produzierte die Werft als
Reparation Gütermotorschiffe für die Sowjetunion, erster
Stapellauf war 1951. Neben Reparatur, Neubau und Umbau von
Motorgüterschiffen und Schleppdampfern wurde 1954 mit der
Produktion von Motorsport-Booten begonnen.
Bis zu ihrer
Schließung am 1. September 1963 hieß die Firma „Volkswerft
Ernst Thälmann“, danach nutzten die „VEB Binnenreederei“ und
ab 1.1. 1964 die VEB Schiffsreparatur-Werften Berlin das
Gelände.
Wie viele Betriebe, wurde auch dieser
Betrieb nach der Wende 1989 abgewickelt und anschließend mit
Landesfördermitteln erneuert. Nun
wurden in Plaue Boote für die Wasserschutzpolizei, wie auch
für die Wasserstraßenämter gebaut und repariert.
Finanzmanipulationen und wirtschaftliche Schwierigkeiten
führten 1997 zur Liquidation und Auflösung von
Nachfolgefirmen im Jahr 2001. 2005 wurde ein Neuanfang mit
einem Wassersportzentrum mit Marina,
Bootsverkauf und Service gewagt. Die so beliebten
Bungalow-Boote (BunBo), die mittlerweile nahezu auf allen
unseren Seen anzutreffen sind, haben hier ihren Heimathafen.
Das BungalowBoot - BunBo, © Slg. H. M. Waßerroth
aus verschiedenen Quellen
zusammengestellt und
bearbeitet von H. M. Waßerroth
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Vers. 2.2.0. vom 15.08.2019
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