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Der Silokanal
Die wohl entscheidendste und auch
umfangreichste Wasserbaumaßnahme im Zusammenhang mit der
Staustufe der Havel in der Stadt und Umgebung Brandenburgs
erfolgte nach dem Gesetz "Die
Verbesserung der Vorflut- und Schifffahrtverhältnisse in der
unteren Havel" vom 04.08.1904
durch den Bau des Silokanals.
Durch den vorgesehenen Neubau
der Stimmingsarche mit einer maximalen Durchflusskapazität
von 70 m3
in der Sekunde war zwar ein ausreichender Abfluss der oberen
Havel durch die Staustufe Brandenburg zu erwarten, aber die
Probleme des unzureichenden Abflusses bei Hochwasser im Raum
Brandenburg an der Havel wurden nun auf den Flussbereich
innerhalb der Stadt verlagert.
Die Hoffnungen auf eine effektive
Hochwasserableitung um Brandenburg herum durch den am Ende
des 18. Jahrhunderts angelegten 7,5 m breiten Silograben erfüllten sich
nicht. Dieser Graben bekam seinen Namen von den von ihm
durchschnittenen ehemaligen Silowiesen. Er zweigte in Höhe
der heutigen Watstraße / Kurt-Wabbel-Str. etwa gegenüber des Altstädter Mühlenstrengs (Krakauer Mühlenarm) vom Beetzsee ab,
durchquerte die Silowiesen, kreuzte den Quenzweg am
ehemaligen Elisabethhof und mündete in den nördlichen Teil
des Quenzsees. Erhalten geblieben ist von ihm nur das
allerletzte Stück von der Einmündung des Abflussgrabens vom
Gördensee bis zum Quenzsee. Im Zusammenhang mit dem Bau des
Silokanals wurde der Graben wieder zugeschüttet.
Verlag: Photogr. O. Habedank, Brandenburg
(Havel), Foto: O. Habedank
Der Silograben an seiner Mündung in den Quenzsee, Slg.
H. M. Waßerroth
Reststück des Silograbens
Nähe Schenkendorfweg,
Richtung Unterquerung der Plauer Landstraße und Mündung in den Quenzsee,
Aufnahme am 25.03.2014, ©
H. M. Waßerroth
Die einst vor den Toren der früher beiden
Städte vorhandenen Wiesen, welche der Havel bei Hochwasser
ausreichend Platz boten, verschwanden mehr und mehr. Die
Niederungen wurden meist aufgeschüttet, die Ufer der Havel befestigt.
Die aus Altstadt und Neustadt Brandenburg
entstandene Stadt expandierte, brauchte Platz für Wohnbauten und die
Ansiedelung von Gewerbe. Auch der stetig steigende
Schiffsverkehr auf der Havel, bald mit Schleppzügen, wurde
wegen der vielen Klappbrücken und Flusswindungen zum
Problem.
Verlag: unbekannt, Foto: unbekannt
Stromab fahrender Schleppzug auf der Havel, Blickrichtung
zurück zur
Langen Brücke, 1910, Slg.
H. M. Waßerroth
Im Zusammenhang mit dem Neubau der
Stimmingsarche und einer modernen Schleppzugschleuse neben
der schon bestehenden Vorstadtschleuse in der Staustufe
Brandenburg wurde auch ein neuer Verbindungskanal vom
südlichen Beetzsee in sehr gestrecktem Lauf nördlich und
westlich um die Stadt Brandenburg herum zum Quenzsee, der
Silokanal, geplant und gebaut. Der Weg vom Plauer See nun
über den Quenzsee und Silokanal zum Beetzsee von nur 7,5 km
Länge brachte eine unmittelbare Wegersparnis von 2 km. Der
ganze 5,25 km lange Kanal hat nur zwei
Krümmungen, eine mit 3000 m Radius von 1,2 km Länge an
seiner Abzweigung aus dem Beetzsee und eine nur wenige
hundert Meter lange von 1000 m Radius an seinem westlichen
Ende. Da der Kanal auch einen Teil des Havelwassers abführen
muss, hatte die Sohle ein Gefälle gleich dem Spiegelgefälle
des errechneten künftigen Hochwassers zwischen Plauer See
und Beetzsee von 6 cm je km, etwa 1:17000 erhalten. Für den
Querschnitt des Kanals wurden mit Rücksicht darauf, dass er
auch der Schifffahrt dienen und diese aus der Stadt
Brandenburg raushalten und somit den ganzen gewaltigen
Durchgangsverkehr von über 45000 Fahrzeugen im Jahre
bewältigen soll, zwei Grundbedingungen festgelegt.
Die Wasserstraße muss jederzeit, also auch beim niedrigsten
Wasserstand unterhalb Brandenburgs mit einem Tiefgang von 2
m befahrbar sein und sie muss stets und überall ein Ausweichen
zweier sich begegnender Havelschleppzüge, bestehend aus
einem Dampfer und sechs angehängten Lastkähnen von im ganzen
etwa 450 bis 500 m Länge, zulassen. Demzufolge erhielt der
Kanal eine Sohlenbreite von 20 m mit einer Tiefe bei
Niedrigwasser von 2,50 m in der Mitte und 2,30 m an der Seite.
In welchem Grade der neue Kanal auch zur
Abführung des Hochwassers und zur Entlastung der Havel fähig
ist, ergab bei Wassermengenmessungen im März 1911 bei einem
Pegelstand der Unterhavel von +1,91 m am Brandenburger Pegel,
dass von der in Brandenburg abgeflossenen Wassermenge von
insgesamt 153
m3 je Sekunde
der Silokanal allein 70 m3
je Sekunde, also 46 % abgeführt hat. So
war das Problem der unzureichenden Hochwasserableitung
gelöst.
Blick
von der Roskower Eisenbahnbrücke Richtung Gördenbrücke
heute, Aufnahme am 15.07.2013, ©
H. M. Waßerroth
Die Bauausführung des Silokanals begann
im August 1907, der Durchstich erfolgte am 30.09.1910, die Betriebsübergabe fand am 19. November 1910 statt.
Für den Bauvorgang war durch die zahlreichen Brückenbauwerke
die Einteilung in bestimmte Abschnitte von vornherein
gegeben. Die Trockenbaggerarbeiten begannen mit Rücksicht auf die
Wasserhaltung mit dem untersten Teil des Kanals, der Haltung
Kreuzung Städtebahntrasse
- Plauer Landstraße. Gleichzeitig wurden die Widerlager der
beiden angrenzenden Brücken gebaut und die zugehörigen
Rampen geschüttet. Vor Beginn des eigentlichen Brückenbaus an der Städtebahnbrücke fuhr der
Bagger in die nächste Haltung, Kreuzung Gördenweg - Städtebahntrasse.
Auch hier erfolgte gleichzeitig der Bau der Widerlager, nun
der Gördenwegbrücke und die beiden untersten
Brückenanlagen, Plauer Landstraße und Städtebahn, wurden
fertiggestellt. Aus bautechnischen und wirtschaftlichen
Gründen ist dann die Haltung Fohrder Straße - Gördenweg
zunächst nur in einem Anschnitt begonnen worden und sofort
weiter die Baggerarbeiten der Haltung Brielower Straße
- Fohrder Straße. Gleichzeitig wurde die Gördenbrücke
fertiggestellt, die Haltung Fohrder Straße -
Gördenweg vollendet und die
Brücken im Zuge der Fohrder Straße und Roskower Bahn
gebaut. Mittels
Nassbaggerbetriebes, verbunden mit Klapp- oder
Spülverfahren, erfolgte nebenbei die Herstellung der
Mündungsstrecken am Beetzsee und Quenzsee und schließlich
nach Vollendung der letzten Trockenbaggerarbeiten Anfang
Juli 1910 die Beseitigung der Erdkerne an den Brücken
Fohrder Straße, Roskower Bahn und Gördenweg. Parallel zu
den Baggerarbeiten der angrenzenden Strecke erfolgte der
Bodenaushub im städtischen Hafen und im Frühjahr 1910 die
Herstellung der Hafenmauer.
Quelle: Museum der Stadt Brandenburg, Foto:
unbekannt
Die
Städtebahnbrücke kurz nach ihrer Fertigstellung 1909, der
Zug kommt vom Altstadt Bahnhof und fährt Richtung Rathenow,
unter der Brücke hindurch zu sehen, das dahinter während des Baues
genutzte Umfahrungsgleis, links hinter dem Bahndamm zu
erkennen, das bereits fertige Kanalbett Richtung
Gördenwegbrücke, Slg.
H. M. Waßerroth
Mit Rücksicht auf eine
Kostenersparnis und eine bequeme
technische Ausführung wurde der Boden mit Ausnahme in den
beiden Mündungsstrecken auf insgesamt 4,3 km Länge mit
Trockenbaggerung ausgehoben und in einem Seitendamm
aufgeschüttet. Bei der Frage, auf welchem der beiden Ufer
der Seitendamm anzuordnen sei, entschied man sich durch die
Lage zur Stadt Brandenburg und mit Rücksicht auf die
Möglichkeit der Anlage eines Hafens sowie die Ansiedlung von
Industrie und Gewerbe für das rechte, stadtabseits gelegene
Ufer. Zur besseren Einpassung in das Landschaftsbild bekam dieser Damm einen unregelmäßigen
Querschnitt,
kanalseitig nur 2 bis 3,5 m und an der abgelegenen Seite 8 bis
9 m hoch. An den Böschungen wurde er
begrünt und auf der Oberfläche mit jungen, zwei- bis
fünfjährigen Bäumchen, je nach Bodenbeschaffenheit mit
Kiefern, Akazien, Birken, Fichten u.a., sowie mit Strauch-
und Buschwerk aller Art bepflanzt. Außerdem rechnete man damit, dass er der Schifffahrt bei den häufigen und
oft starken Nordwest- und Nordwinden, besonders den am
rechten Ufer stromab fahrenden leeren Schleppzügen bald
einen wirksamen Windschutz gewähren würde.
Zwischen Kanal
und Seitendamm wurde zur Ermöglichung des Baggerbetriebes
ein 8 m breiter Streifen freigehalten. Dieser Streifen in
Verbindung mit der geringen kanalseitigen Höhe des Dammes
sollte, auch auf künftige Erfordernisse vorausschauend, eine
bequeme und billige Möglichkeit für eine Verbreiterung
bieten. An den Kanalufern wurden beiderseits 2,5 m breite
Leinpfade (Treidelpfade) angelegt. Am südlichen Ufer ist
außerhalb des Leinpfades noch ein 2,5 m breiter
Schutzstreifen und nördlich hinter dem Seitendamm ein
Schutzstreifen von 5 m Breite angelegt worden. Zwischen
Brielower Straße und Fohrder Straße erhielt dieser Streifen
einen Graben für die Entwässerung der angrenzenden Äcker mit
Abfluss in den Kanal. Auf beiden Kanalseiten sind 3 m vom
Ufer in Abständen von 8 m junge Alleebäume, je nach der Lage
zur Stadt und der Bodenbeschaffenheit Platanen, Rüstern,
Eschen, Linden, Eichen, Spitzahorn, Ebereschen und
kanadische Pappeln, angepflanzt worden. Diese Alleen sollten
zur Zierde des Landschaftsbildes beitragen und für die
Leinpfade Schatten spenden.
Quelle: Museum der Stadt Brandenburg, Foto:
unbekannt
Fohrder Straßenbrücke und Roskower Eisenbahnbrücke vom
Nordufer gesehen, Slg.
H. M. Waßerroth
Die Kanaltrasse kreuzten sechs
Verkehrswege: zwei eingleisige normalspurige Eisenbahnen
(die Brandenburgische Städtebahn
mit der Teilstrecke Brandenburg - Rathenow und die Kleinbahn
Brandenburg Altstadt - Roskow der Westhavelländischen
Kreisbahnen), drei Landstraßen (die Landstraße Brandenburg -
Plaue (Berlin - Magdeburg) sowie die Landstraßen Brandenburg
- Fohrde und Brandenburg - Brielow) und einen Landweg (Brandenburg -
Görden). Trotz intensiver
Bemühungen der Wasserbauverwaltung zur Einsparung von Kosten
gelang es nicht, weder im Wege einer Vereinbarung mit den
Beteiligten noch im Wege der landespolizeilichen Anordnung,
die Vereinigung wenigstens zweier Verkehrswege und ihre
Überführung durch ein gemeinsames Brückenbauwerk zu
erreichen. Es blieb somit weiter nichts übrig, als jeden
Verkehrsweg durch ein besonderes Bauwerk zu überführen und
sich mit den geringen Zugeständnissen zu begnügen. Die
Straßen, mit Ausnahme der Landstraße Brandenburg - Plaue,
für die ein Kreuzungswinkel von 600
mit der Kanalachse vereinbart wurde, sollten nun senkrecht
den Kanal überbrücken und die Brücke im Zuge des damals
untergeordneten Landweges Brandenburg - Görden in etwas
geringeren Breitenabmessungen als die übrigen und mit nur
einem Fußweg ausgeführt werden.
Verlag: unbekannt, Foto: unbekannt
Zeitgenössische Darstellung der Plauer Straßenbrücke auf
einer am 12.08.1915 gelaufenen Ansichtskarte,
Slg. H. M. Waßerroth
Von den Eisenbahnen wurde
jede Veränderung der Linienführung rundweg abgelehnt. So war
die nur 5,2 km lange Kanalstrecke von sechs Brücken
überspannt, etwa alle 0,87 km eine Brücke. Die Durchfahrt
unter den Brücken ist so
bemessen worden, dass überall bei dem höchsten angenommenen
Wasserstand eine lichte Höhe von mindestens 4 m über der
ganzen Wasserbreite garantiert ist. Für die Ausführung der
Brücken hatte man gefordert, dass der Kanalquerschnitt
einschließlich der Leinpfade in voller Breite durchgeführt
und die Brückenweite entsprechend bemessen werden sollte,
damit die Übersichtlichkeit der Strecke nicht leidet und der
Hochwasserabfluss sich nicht an den Brücken staut. Infolge
dessen hätten die Brücken, die den Kanal und die Leinpfade
komplett und rechtwinklig zur Kanalachse überqueren, eine
Stützweite von 60 bis 65 m erfordert. Man begnügte sich der
Kosten wegen dann aber höheren Ortes schließlich mit einer
Brückenweite von 47,3 m zwischen den vorspringenden
Leinpfaden. Bei Anordnung von 1,85 m breiten Treidelsteigen
erforderte das eine lichte obere Weite von 51 m und eine
Stützweite von 52,2 m senkrecht zur Kanalachse. Die schiefen
Brücken wurden entsprechend des Sinus des Kreuzungswinkels
länger, so dass die Stützweite
der Brücke im Zuge der Landstraße Brandenburg - Plaue auf
rund 60,28 m (bei 600),
der Brücke im Zuge der Brandenburgischen Städtebahn auf rund
65,39 m (bei 520
58') und der Brücke im Zuge der Kleinbahn Brandenburg -
Roskow auf rund 69,43 m (bei 480
45') zu bemessen war. Die letzteren beiden Brücken
sind aus Gründen der Auflagerung mit 66,02 und 70,16 m
Stützweite ausgeführt worden.
Bauzeichnung der Eisenbahnbrücke der Brandenburgischen
Städtebahn, Slg. H. M. Waßerroth
Bauzeichnung der damaligen Gördenbrücke, Slg.
H. M. Waßerroth
Im Zuge der damaligen Fohrder Straßen- und Roskower
Eisenbahnbrücke entstand diese Konstellation,
Slg.
H. M. Waßerroth
Quelle: Museum der Stadt Brandenburg, Foto:
unbekannt
Rechts
Fohrder Straßenbrücke und links Roskower Eisenbahnbrücke von
Süden gesehen,
unten rechts das Anschlussgleis zum Umschlaghafen Slg.
H. M. Waßerroth
Die
Breite der Eisenbahnbrücken ergab sich durch das
Lichtraumprofil eines Zuges und der Forderung, dass auf
beiden Seiten neben einem über die Brücke fahrenden
Eisenbahnzug
noch ein Streckenwärter Platz finden
muss. Der Abstand der Hauptträgerachsen wurde deshalb mit 5
m bemessen. Die Straßenbrücken im Zuge der drei Landstraßen
nach Plaue, Fohrde und Brielow hatten 5,6 m Fahrbahnbreite,
je 60 cm breite Kutschersteige und 1,65 m breite Gehwege
erhalten. Die Hauptträger hatten hier einen Abstand von 6,80
m. Bei der Landwegbrücke für den Weg zur Siedlung und
Kolonie Görden wurden die
Breitenabmessungen etwas verringert und ein Fußweg gespart.
1912 wurde
mit Einbau des Straßenbahngleises für die eingleisige Linie
zur neuen Landesirrenanstalt (heute Asklepius-Klinik) auf
der Gördenbrücke auch der zweite Fußweg angebaut.
Mit Rücksicht auf die Möglichkeit einer Verbreiterung des Kanals sind die
Widerlager der Brückenbauwerke nicht gleichmäßig zur
Kanalmitte gestellt worden. Die linken, südlichen Widerlager
waren mit ihrer Vorderkante nur 19,75 m von der Kanalachse
entfernt, während die rechten Widerlager einen Abstand von
27,55 m
hatten. Bei einer am rechten Ufer vorzunehmenden
eventuellen Verbreiterung um 7,8 m würden daher erst beide Pfeiler
gleichmäßig zur Mitte stehen. Die Widerlager waren aus
Stampfbeton, mit roten Klinkern über Niedrigwasser
verkleidet und
zwischen Spundwänden aus dem Untergrund hochgeführt. Der
Aushub der Spundwandkästen und das Einbringen des Betons
erfolgte noch in der Trockenbauphase. Größere
Schwierigkeiten waren nur bei der Gründung der Widerlager
für die Gördenwegbrücke zu überwinden. Auf Grund ungünstiger
Untergrundverhältnisse durch weiche Tonschichten mussten
Pfähle von 30 bis 40 cm Durchmesser bis in den darunter liegenden
tragfähigen Sand, der am nördlichen Widerlager in einer Tiefe von gut 10 m
und am südlichen in einer Tiefe von etwa 6 m anstand,
gerammt werden. Die
Pfahlköpfe wurden untereinander mit einer vielfachen Verschnürung aus
hochkant stehenden Flacheisen 40 x 6 mm verbunden und in den Stampfbeton eingebettet.
Die zu den Brücken führenden Rampen hatten bei der
Brandenburgischen Städtebahn eine Neigung von 1:250, bei der
Kleinbahn Brandenburg - Roskow von 1:200 bzw. 1:150, bei den
Landstraßen 1:50, beim Gördenweg 1:40 und bei
untergeordneten Wirtschaftswegen 1:25 erhalten.
Karte am 22.11.1940 gelaufen
Verlag: Gotthilf Erhardt, Brandenburg,
Havel, Foto: unbekannt
Das neue Opelwerk 1938, in Bildmitte die südliche Rampe
zur Gördenbrücke, Slg.
H. M. Waßerroth
Besonders sorgsam musste die Verlegung eines 400 mm starken
Versorgungsrohres der städtischen Wasserleitung der Stadt
Brandenburg, die vom Wasserwerk im Altstädtischen Forst
kommend, die Kanalstrecke im Körper des Gördenweges kreuzte,
behandelt werden, damit eine Unterbrechung in der
Wasserversorgung der Stadt verhindert wurde. Die Stadtverwaltung
verlangte die Querung des Kanals im Zuge des neuen
Gördenweges mit der Brücke und nicht
einer Unterdükerung. Diese erforderliche neue Leitung von
390 m wurde erst
nach Fertigstellung der Brückenanlage verlegt. Sie wurde an einem Sonntag, wo
nur ein geringer
Wasserverbrauch angenommen wurde, an die vorhandene
Druckrohrleitung
angeschlossen. Die ganze Unterbrechung
der Leitung hatte kaum zwölf Stunden in Anspruch genommen.
Einmündung des Silokanals in den Quenzsee heute,
Aufnahme am 16.07.2013, ©
H. M. Waßerroth
Trotz
zahlreicher und mannigfacher Vorteile, die der neue
Silokanal außer für die Schifffahrt und die Vorflut auch für
die Stadt Brandenburg hatte, war die Befürchtung nicht von
der Hand zu weisen, dass mit der Abkopplung der Stadt vom Hauptdurchgangsverkehr der
örtliche Schiffs- und Umschlagverkehr von den bisher
benutzten öffentlichen und privaten Lösch- und Ladeplätzen
in der Stadt sich nach anderen Stellen, ja unter Umständen
von der Stadt ganz weggehen könnte. Um diesem einschneidenden
Nachteil vorzubeugen, entschloss sich die Stadtverwaltung, mit dem
Bau des Silokanales auch gleich einen Hafen
anzulegen, dessen wasserbauliche Anlagen bereits mit der
Eröffnung des Kanals dem Verkehr übergeben werden
konnten. Dieser Hafen, der zwar heute in Teilen noch besteht, aber
nicht mehr genutzt wird, liegt in einer 16 m (damals zwei
Plauermaß-Kahnbreiten) tiefen Ausbuchtung von 450 m Länge am
linken Kanalufer zwischen der Brielower und der Fohrder Straße.
Das Becken war imstande, 14 Fahrzeuge von 65 m Länge und 8 m
Breite oder 40 Finowkähne zugleich aufzunehmen, ohne dass
der Verkehr in der Schifffahrtstraße gestört wird. Die Sohle
des Hafenbeckens liegt gleichtief mit dem
mittleren Teil des benachbarten Kanalquerschnittes.
Der Umschlaghafen hatte dann auch die
erforderlichen Gleisanlagen mit einem Anschluss an den
Bahnhof Brandenburg Altstadt der Brandenburgischen
Städtebahn erhalten und wurde zunächst den Anforderungen
entsprechend nur mit einem Lagerschuppen und zwei
elektrischen Portalkranen ausgestattet. Die Erweiterung des
Hafenbeckens wie auch der Gleis- und Schuppenanlagen,
Lagerplätze usw. war durch vorausschauenden Grunderwerb seitens der Stadt Brandenburg
sichergestellt.
Verlag: unbekannt, Foto: unbekannt
Schleppzug auf dem Silokanal in Höhe des damaligen
städtischen Umschlaghafens westlich der Brielower Straße,
Aufnahme 1917, Slg. H. M. Waßerroth
Die Baukosten für den Silokanal
haben im ganzen 2,12 Mio. Mark betragen, was für 1 km
Kanallänge rund 408.000 Mark entspricht. Dieser Wert war für
einen Kanal ohne Schleusen zwar hoch, wurde aber beim
Silokanal auf Grund des großzügigen
Querschnitts, der weitgespannten Brücken und vor allem in
Anbetracht der großen Zahl dieser Bauwerke erklärlich. Von
diesen Kosten entfielen auf den Grunderwerb für die
benötigten 80 ha
einschließlich
Abfindungen, Pacht, Umbau von Scheunen u. dgl. 270 000 Mark.
Die Kosten für Erdarbeiten haben
insgesamt rund 570 000 Mark betragen bei rund 1,1 Mio.
m3
Bodenförderung. Davon
sind 700 000 m3
mit Trockenbagger und Seitenförderer, 220 000
m3
mit Nassbaggern in den
Mündungsstrecken und den Erdkernen der
Brückenbaustellen gefördert und im Klapp- oder Spülverfahren
verbaut und 180 000 m3
mit Lokomotiv- und Pferdebetrieb nach
vorheriger Förderung von Hand in Rampen und Molen
verfahren worden. Die Brückenbauwerke und sonstigen
Kunstbauten haben einen Aufwand von
650 000 Mark erfordert. Für die zwölf
Brückenwiderlager sind einschließlich aller Arbeiten und
Lieferungen Aufwendungen von zusammen 183.000
Mark erforderlich gewesen.
Lage
|
Art
|
Stützweite
|
Breite
|
Hauptträgerabstand
|
Gewicht
|
|
|
in
m
|
in
m
|
in
m
|
in t
|
Plauer Straße
|
Straßenbrücke
|
60,28
|
10,10
|
6,80
|
272,8
|
Städtebahn
|
Eisenbahnbrücke
|
66,02
|
5,00
|
5,00
|
231,7
|
Gördenweg
|
Straßenbrücke
|
52,20
|
8,10
|
6,40
|
191,9
|
Roskower Bahn
|
Eisenbahnbrücke
|
70,16
|
5,00
|
5,00
|
260,0
|
Fohrder Straße
|
Straßenbrücke
|
52,20
|
10,10
|
6,80
|
200,0
|
Brielower Straße
|
Straßenbrücke
|
52,20
|
10,10
|
6,80
|
199,2
|
Die Ausführung der Nassbaggerarbeiten
übernahm die Firma H. Leymann aus Bremen, die der
Trockenbaggerarbeiten wurde im ersten Jahr ebenfalls durch
Unternehmer erbracht, dann aber von der Wasserbauverwaltung
mit eigenen Maschinen selbst übernommen. Die Ausführung der
Brückenwiderlager erledigte die Firma Risse aus Güstebiese, die Lieferung der eisernen Überbauten
für die drei schiefen Brücken ging an die Firma Hein, Lehmann u.
Ko. in Berlin-Reinickendorf und für die drei senkrechten
Straßenbrücken an die Brückenbauanstalt Beuchelt u. Ko. in
Grünberg. Die Herstellung der Ufermauer am städtischen Hafen
ist durch die Firma Drenkhahn u. Sudhop, die auch den
Entwurf ausgearbeitet hatte, erfolgt. Die
Herstellung der übrigen Arbeiten erfolgte durch den Bauherr
und zum Teil auch durch örtliche Unternehmer.
Blick von der Roskower
Eisenbahnbrücke Richtung Brielower Brücke heute, Aufnahme am
15.07.2013, ©
H. M. Waßerroth
Der neue Silokanal brachte große Erleichterungen für
die Schifffahrt und beendete endlich das leidige Thema einer
effektiven Hochwasserableitung.
War das Gebiet, welches der Kanal durchschneidet
anfangs nur Ackerland und Wiesen, so zog es nun
Industriebetriebe an, die hier günstige Verkehrswege für
einen neuen Standort fanden. Brandenburg wurde zu einer
modernen Industriestadt.
Bereits 1912 errichtete die Philipp Weber GmbH hier
zwischen Silokanal, Städtebahn und Magdeburger Landstraße
das erste Stahlwerk, welches dann 1917 an die
Deutsch-Luxemburgische Bergwerks- und
Hütten-Aktiengesellschaft verkauft und 1926 von der
Friedrich Flick Gesellschaft übernommen wurde. Obwohl ein
wichtiger Rüstungsbetrieb, wurden die Werksanlagen im
Zweiten Weltkrieg nicht zerstört. Erst die Russen brachten
durch die vollständige Demontage 1946/47 das erste Aus für
diesen Brandenburg prägenden Industriezweig.
Foto: unbekannt
Stahlwerk der
Deutsch-Luxemburgischen Bergwerks- und Hütten-AG, gut
erkennbar die Brücke der Städtebahn über den Silokanal, Aufnahme um 1920,
Slg. H. M. Waßerroth
1937 erfolgten erste Ausbauarbeiten. Die Kanalsohle
wurde tiefer gelegt und die abgebaggerten ca. 160.000 m3
Boden spülte man in einer großen Bucht des Breitlingsees
nördlich der Havelmündung auf dem damaligen Arado-Gelände
wieder auf.
Der Zweite Weltkrieg ging auch am Silokanal nicht
spurlos vorbei und brachte in Folge einige Zerstörungen.
Am 25.04.1945 rückten gegen 14 Uhr russische Kampfverbände
von Brielow her bis zum Silokanal. Obwohl die Russen bereits
über Schmerzke und die Potsdamer Vorstadt nach Brandenburg
eindrangen, wurden die Brücken am Kanal (Brielower Brücke,
Fohrder Straßenbrücke, Roskower Eisenbahnbrücke, Gördenbrücke,
später auch die Plauer Straßenbrücke [Quenzbrücke]) gesprengt, um die
Truppen vom Norden her aufzuhalten. Die Städtebahnbrücke
blieb als einzige Brücke in ihrer Ursprungsform bis zum
Ersatzneubau 2000 erhalten.
Foto: unbekannt
Das neue im Aufbau befindliche Stahlwerk als
sozialistischer Großbetrieb an Stelle des alten
"Weberwerkes", Aufnahme um 1950, im Hintergrund noch die
Ruine des Opelwerkes mit dem Schornstein des Kraftwerkes. Es
wurde kurz danach platt gemacht.
Slg. H. M. Waßerroth
Die Straßenbrücken, mit Ausnahme der Fohrder Straßenbrücke, sie
wurde nie wieder aufgebaut,
wurden in den ersten Nachkriegsjahren schnellstmöglich wieder
hergestellt. Für die Plauer Straßenbrücke (Quenzbrücke)
verwendete man als Ersatz einen Pionierbrücken-Überbau.
Dieser Behelf bestand bis zum Neubau der ca. 100 m
weiter westlich gelegenen heutigen Quenzbrücke. Der Neubau
erfolgte in den Jahren 1965/66 als Betonbrücke mit
vierzelligem Hohlkasten im Spannblockverfahren. Der
Brückenüberbau wurde als Durchlaufträger mit Stützweiten von
35,0 - 66,50 - 19,00 Meter angelegt. Alle Relikte
der alten Brücke samt Widerlager wurden nach der
Verkehrsübergabe der neuen Quenzbrücke 1967 entfernt. Heute
deutet nur noch der Verlauf der Baumallee an der
Straßenbahnwendeschleife auf den Verlauf der alten Straße
zur Brücke hin.
Die Gördenbrücke wurde am alten Standort nicht wieder
aufgebaut. Für ihren Neubau ca. 200 m weiter östlich in
Verlängerung der heutigen August-Bebel-Str. verwendete man
die geborgenen wiederverwertbaren Teile der Fohrder
Straßenbrücke, der alten Gördenbrücke und einer 3. Brücke.
Mit dem Bau an diesem Standort folgte man einer Planung von
1935, die die Neuanlage der Straßen im Zuge der heutigen
Bundesstraße 102 in diesem Bereich vorsah. Zusammengebaut
wurde der neue stählerne Überbau auf der Kaianlage des
ehemaligen Heeresverpflegungsamtes, dann auf Prahme gesetzt
und von dort eingeschwommen. Mit Einweihung der neuen
Gördenbrücke am 18.12.1948
war ein
durchgehender Straßenbahnbetrieb nach Plaue und Kirchmöser
wieder möglich. Dieser Brücken- "Altneubau" entwickelte
sich in den 1970/80er Jahren immer mehr zum Nadelöhr.
Deshalb plante man schon zu DDR-Zeiten einen Ersatzneubau,
der dann 1989 begonnen und 1992 fertiggestellt wurde. Bei
den beiden Kanalverbreiterungen verschwanden in den 1970er
Jahren von der ursprünglichen Gördenbrücke das nördliche Widerlager und kurz nach 2002 das
südliche Widerlager.
Die nach dem Krieg aufgebaute Gördenbrücke, Aufnahme am
31.12.1977, ©
H. M. Waßerroth
Blick durch die Gördenbrücke
Ende der 1980er Jahre, Straßenbahnen durften sich auf ihr nicht begegnen,
die Bauarbeiten für die neue Gördenbrücke neben der alten
hatten bereits begonnen, ©
H. M. Waßerroth
Abbruch der nach dem Krieg aufgebauten Gördenbrücke,
Aufnahme: Anfang März 1992, © H. M. Waßerroth
Die zur Verschrottung auf das südliche Kanalufer zurück
gezogene alte Gördenbrücke,
Aufnahme: Anfang März 1992, © H. M. Waßerroth
Für die Brielower Brücke musste einige Zeit ein Behelfsbau
reichen.
Die Brielower Brücke in der heutigen Konstruktion entstand
dann 1958 als
Ersatz für die alte Brücke und wurde am 07.05.1960
eingeweiht.
Die Trümmer der Roskower Eisenbahnbrücke wurden zwar
gehoben, um den Kanal
befahrbar zu machen. Zu einem Aufbau der
Roskower Eisenbahnbrücke kam es aber vorerst nicht.
In Folge des erneuten Ausbaus der Stimmingsarche von 1963
bis 1966 auf eine
Durchflusskapazität von 242 m3
je Sekunde wurde dann auch zwischen 1970 und 1973 die beim
Bau des Kanals eingeplante Erweiterung am Nordufer
realisiert. Diese Erweiterung umfasste die Entfernung des
auf dem Nordufer befindlichen Erdwalls, eine Verbreiterung
des Kanals von 6,50 m und eine erneute Tieferlegung der
Kanalsohle. Die anfallenden Erdmassen wurden innerhalb der
Stadt Brandenburg verbaut.
Im Rahmen der Verkehrsprojekte deutsche Einheit nach der
Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten gehörte der
Silokanal als Bestandteil der Wasserstraßenverbindung
Hannover-Magdeburg-Berlin zum Projekt Nr. 17. In diesem
Zusammenhang erfolgte eine erneute Tieferlegung der
Kanalsohle auf eine Wassertiefe von 4 m und eine nochmalige
Verbreiterung auf der Nordseite, diesmal auf 55 m
Wasserspiegelbreite. Diese Ausbauarbeiten begannen 2002 und
endeten am 05.10.2005 mit der Verkehrsübergabe. Gleichfalls
wurden beide Eisenbahnbrücken neu gebaut. Die
Städtebahnbrücke von 1910 erforderte ohnehin dringend einen
Neubau wegen Kriegs- und starker Korrosionsschäden. Sie
wurde wie auch der neue Stadthafen im Jahr 2000 übergeben.
Die alte
Städtebahnbrücke, Aufnahme Frühjahr 1999 vor Beginn
der Umbauarbeiten, ©
H. M. Waßerroth
Blick durch die alte
Städtebahnbrücke, Aufnahme im Mai 1981, ©
H. M. Waßerroth
Beginn der Bauarbeiten zum Neubau der Städtebahnbrücke 1999, ©
H. M. Waßerroth
Auch die Roskower Eisenbahnbrücke, 1969 erst als Ersatz für
die 1945 gesprengte ursprüngliche Brücke wieder aufgebaut,
um die nördlich des Silokanals gelegenen Betriebe nach
Stilllegung der Westhavelländischen Kreisbahn bedienen zu
können, musste u. a. wegen Schäden neugebaut werden. Sie
entstand westlich, direkt neben der alten Brückenachse.
Betriebsübergabe für diese nun 108,30 m lange, einer
Anschlussbahn dienenden Eisenbahnbrücke war am 29.08.2008.
Die alte Brücke von 1969 wurde anschließend samt Widerlager
abgerissen dabei verschwanden dann auch die Reste des
nördlichen Widerlagers der 1945 gesprengten nicht wieder
aufgebauten Fohrder Straßenbrücke.
Für die Brielower Brücke von 1958 ist ebenfalls ein
Ersatzneubau geplant.
Roskower Eisenbahnbrücke,
gegenüber das nördliche Doppelwiderlager für die Eisenbahn-
und alte Straßenbrücke, hinter der Eisenbahnbrücke der
Ersatzneubau, Aufnahme 19.07.2008, ©
H. M. Waßerroth
Ausflugsschiff
auf dem Silokanal nahe der Quenzbrücke
heute, im Hintergrund die neue
Brücke der Städtebahn, Aufnahme am 16.07.2013, ©
H. M. Waßerroth
Brücke der Städtebahn heute, Aufnahme am
25.03.2014, ©
H. M. Waßerroth
So sah der 1910 angelegte
einstige städt.
Umschlaghafen nach seiner Außerbetriebnahme und Abriss der
einstigen Gebäude aus, unten rechts noch
alte Befestigungen für die Schienen des Portalkranes. Die
hintere Hälfte des einstigen Hafengeländes ist heute eine
Marina mit eigenem Hafenbecken abgetrennt vom Kanal. Aufnahme am
25.03.2014, ©
H. M. Waßerroth
Karte am 18.09.1951 gelaufen
Verlag und Foto: Hans Andres, Berlin
Blick von der Brielower Brücke nach dem Krieg,
die Roskower Eisenbahnbrücke wäre am Horizont zu sehen
gewesen, aber sie existierte nicht mehr, Slg.
H. M. Waßerroth
Blick von der Brielower Brücke über
den Silokanal zur Marina auf dem ehemaligen
Umschlaghafengelände,
Aufnahme am 28.03.2016
Das ehemalige
Heeresverpflegungsamt hatte Bahn- und Wasseranschluss,
hinten die neue Roskower Eisenbahnbrücke, Aufnahme am 25.03.2014, ©
H. M. Waßerroth
aus verschiedenen Quellen
bearbeitet und ergänzt von H. M. Waßerroth
CC BY-NC-ND 3.0 de
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Vers. 1.13.4. vom 01.06.2024
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