Der Silokanal

Die wohl entscheidendste und auch umfangreichste Wasserbaumaßnahme im Zusammenhang mit der Staustufe der Havel in der Stadt und Umgebung Brandenburgs erfolgte nach dem Gesetz "Die Verbesserung der Vorflut- und Schifffahrtverhältnisse in der unteren Havel" vom 04.08.1904 durch den Bau des Silokanals.

Durch den vorgesehenen Neubau der Stimmingsarche mit einer maximalen Durchflusskapazität von 70 m3 in der Sekunde war zwar ein ausreichender Abfluss der oberen Havel durch die Staustufe Brandenburg zu erwarten, aber die Probleme des unzureichenden Abflusses bei Hochwasser im Raum Brandenburg an der Havel wurden nun auf den Flussbereich innerhalb der Stadt verlagert.

Die Hoffnungen auf eine effektive Hochwasserableitung um Brandenburg herum durch den am Ende des 18. Jahrhunderts angelegten 7,5 m breiten Silograben erfüllten sich nicht. Dieser Graben bekam seinen Namen von den von ihm durchschnittenen ehemaligen Silowiesen. Er zweigte in Höhe der heutigen Watstraße / Kurt-Wabbel-Str. etwa gegenüber des Altstädter Mühlenstrengs (Krakauer Mühlenarm) vom Beetzsee ab, durchquerte die Silowiesen, kreuzte den Quenzweg am ehemaligen Elisabethhof und mündete in den nördlichen Teil des Quenzsees. Erhalten geblieben ist von ihm nur das allerletzte Stück von der Einmündung des Abflussgrabens vom Gördensee bis zum Quenzsee. Im Zusammenhang mit dem Bau des Silokanals wurde der Graben wieder zugeschüttet.

   

Verlag: Photogr. O. Habedank, Brandenburg (Havel), Foto: O. Habedank

Der Silograben an seiner Mündung in den Quenzsee, Slg. H. M. Waßerroth

      

Reststück des Silograbens Nähe Schenkendorfweg, Richtung Unterquerung der Plauer Landstraße und Mündung in den Quenzsee, Aufnahme am 25.03.2014, © H. M. Waßerroth

   

Die einst vor den Toren der früher beiden Städte vorhandenen Wiesen, welche der Havel bei Hochwasser ausreichend Platz boten, verschwanden mehr und mehr. Die Niederungen wurden meist aufgeschüttet, die Ufer der Havel befestigt. Die aus Altstadt und Neustadt Brandenburg entstandene Stadt expandierte, brauchte Platz für Wohnbauten und die Ansiedelung von Gewerbe. Auch der stetig steigende Schiffsverkehr auf der Havel, bald mit Schleppzügen, wurde wegen der vielen Klappbrücken und Flusswindungen zum Problem.

 

Verlag: unbekannt, Foto: unbekannt

Stromab fahrender Schleppzug auf der Havel, Blickrichtung zurück zur Langen Brücke, 1910, Slg. H. M. Waßerroth

 

Im Zusammenhang mit dem Neubau der Stimmingsarche und einer modernen Schleppzugschleuse neben der schon bestehenden Vorstadtschleuse in der Staustufe Brandenburg wurde auch ein neuer Verbindungskanal vom südlichen Beetzsee in sehr gestrecktem Lauf nördlich und westlich um die Stadt Brandenburg herum zum Quenzsee, der Silokanal, geplant und gebaut. Der Weg vom Plauer See nun über den Quenzsee und Silokanal zum Beetzsee von nur 7,5 km Länge brachte eine unmittelbare Wegersparnis von 2 km. Der ganze 5,25 km lange Kanal hat nur zwei Krümmungen, eine mit 3000 m Radius von 1,2 km Länge an seiner Abzweigung aus dem Beetzsee und eine nur wenige hundert Meter lange von 1000 m Radius an seinem westlichen Ende. Da der Kanal auch einen Teil des Havelwassers abführen muss, hatte die Sohle ein Gefälle gleich dem Spiegelgefälle des errechneten künftigen Hochwassers zwischen Plauer See und Beetzsee von 6 cm je km, etwa 1:17000 erhalten. Für den Querschnitt des Kanals wurden mit Rücksicht darauf, dass er auch der Schifffahrt dienen und diese aus der Stadt Brandenburg raushalten und somit den ganzen gewaltigen Durchgangsverkehr von über 45000 Fahrzeugen im Jahre bewältigen soll, zwei Grundbedingungen festgelegt. Die Wasserstraße muss jederzeit, also auch beim niedrigsten Wasserstand unterhalb Brandenburgs mit einem Tiefgang von 2 m befahrbar sein und sie muss stets und überall ein Ausweichen zweier sich begegnender Havelschleppzüge, bestehend aus einem Dampfer und sechs angehängten Lastkähnen von im ganzen etwa 450 bis 500 m Länge, zulassen. Demzufolge erhielt der Kanal eine Sohlenbreite von 20 m mit einer Tiefe bei Niedrigwasser von 2,50 m in der Mitte und 2,30 m an der Seite.

In welchem Grade der neue Kanal auch zur Abführung des Hochwassers und zur Entlastung der Havel fähig ist, ergab bei Wassermengenmessungen im März 1911 bei einem Pegelstand der Unterhavel von +1,91 m am Brandenburger Pegel, dass von der in Brandenburg abgeflossenen Wassermenge von insgesamt 153 m3 je Sekunde der Silokanal allein 70 m3 je Sekunde, also 46 % abgeführt hat. So war das Problem der unzureichenden Hochwasserableitung gelöst.  

  

 Blick von der Roskower Eisenbahnbrücke Richtung Gördenbrücke heute, Aufnahme am 15.07.2013, © H. M. Waßerroth

     

Die Bauausführung des Silokanals begann im August 1907, der Durchstich erfolgte am 30.09.1910, die Betriebsübergabe fand am 19. November 1910 statt. Für den Bauvorgang war durch die zahlreichen Brückenbauwerke die Einteilung in bestimmte Abschnitte von vornherein gegeben. Die Trockenbaggerarbeiten begannen mit Rücksicht auf die Wasserhaltung mit dem untersten Teil des Kanals, der Haltung Kreuzung Städtebahntrasse - Plauer Landstraße. Gleichzeitig wurden die Widerlager der beiden angrenzenden Brücken gebaut und die zugehörigen Rampen geschüttet. Vor Beginn des eigentlichen Brückenbaus an der Städtebahnbrücke fuhr der Bagger in die nächste Haltung, Kreuzung Gördenweg - Städtebahntrasse. Auch hier erfolgte gleichzeitig der Bau der Widerlager, nun der Gördenwegbrücke und die beiden untersten Brückenanlagen, Plauer Landstraße und Städtebahn, wurden fertiggestellt. Aus bautechnischen und wirtschaftlichen Gründen ist dann die Haltung Fohrder Straße - Gördenweg zunächst nur in einem Anschnitt begonnen worden und sofort weiter die Baggerarbeiten der Haltung Brielower Straße - Fohrder Straße. Gleichzeitig wurde die Gördenbrücke fertiggestellt, die Haltung Fohrder Straße - Gördenweg vollendet und die Brücken im Zuge der Fohrder Straße und Roskower Bahn gebaut. Mittels Nassbaggerbetriebes, verbunden mit Klapp- oder Spülverfahren, erfolgte nebenbei die Herstellung der Mündungsstrecken am Beetzsee und Quenzsee und schließlich nach Vollendung der letzten Trockenbaggerarbeiten Anfang Juli 1910 die Beseitigung der Erdkerne an den Brücken Fohrder Straße, Roskower Bahn und Gördenweg. Parallel zu den Baggerarbeiten der angrenzenden Strecke erfolgte der Bodenaushub im städtischen Hafen und im Frühjahr 1910 die Herstellung der Hafenmauer.

   

Quelle: Museum der Stadt Brandenburg, Foto: unbekannt

Die Städtebahnbrücke kurz nach ihrer Fertigstellung 1909, der Zug kommt vom Altstadt Bahnhof und fährt Richtung Rathenow, unter der Brücke hindurch zu sehen, das dahinter während des Baues genutzte Umfahrungsgleis, links hinter dem Bahndamm zu erkennen, das bereits fertige Kanalbett Richtung Gördenwegbrücke, Slg. H. M. Waßerroth

     

Mit Rücksicht auf eine Kostenersparnis und eine bequeme technische Ausführung wurde der Boden mit Ausnahme in den beiden Mündungsstrecken auf insgesamt 4,3 km Länge mit Trockenbaggerung ausgehoben und in einem Seitendamm aufgeschüttet. Bei der Frage, auf welchem der beiden Ufer der Seitendamm anzuordnen sei, entschied man sich durch die Lage zur Stadt Brandenburg und mit Rücksicht auf die Möglichkeit der Anlage eines Hafens sowie die Ansiedlung von Industrie und Gewerbe für das rechte, stadtabseits gelegene Ufer. Zur besseren Einpassung in das Landschaftsbild bekam dieser Damm einen unregelmäßigen Querschnitt, kanalseitig nur 2 bis 3,5 m und an der abgelegenen Seite 8 bis 9 m hoch. An den Böschungen wurde er begrünt und auf der Oberfläche mit jungen, zwei- bis fünfjährigen Bäumchen, je nach Bodenbeschaffenheit mit Kiefern, Akazien, Birken, Fichten u.a., sowie mit Strauch- und Buschwerk aller Art bepflanzt. Außerdem rechnete man damit, dass er der Schifffahrt bei den häufigen und oft starken Nordwest- und Nordwinden, besonders den am rechten Ufer stromab fahrenden leeren Schleppzügen bald einen wirksamen Windschutz gewähren würde.

Zwischen Kanal und Seitendamm wurde zur Ermöglichung des Baggerbetriebes ein 8 m breiter Streifen freigehalten. Dieser Streifen in Verbindung mit der geringen kanalseitigen Höhe des Dammes sollte, auch auf künftige Erfordernisse vorausschauend, eine bequeme und billige Möglichkeit für eine Verbreiterung bieten. An den Kanalufern wurden beiderseits 2,5 m breite Leinpfade (Treidelpfade) angelegt. Am südlichen Ufer ist außerhalb des Leinpfades noch ein 2,5 m breiter Schutzstreifen und nördlich hinter dem Seitendamm ein Schutzstreifen von 5 m Breite angelegt worden. Zwischen Brielower Straße und Fohrder Straße erhielt dieser Streifen einen Graben für die Entwässerung der angrenzenden Äcker mit Abfluss in den Kanal. Auf beiden Kanalseiten sind 3 m vom Ufer in Abständen von 8 m junge Alleebäume, je nach der Lage zur Stadt und der Bodenbeschaffenheit Platanen, Rüstern, Eschen, Linden, Eichen, Spitzahorn, Ebereschen und kanadische Pappeln, angepflanzt worden. Diese Alleen sollten zur Zierde des Landschaftsbildes beitragen und für die Leinpfade Schatten spenden.

 

Quelle: Museum der Stadt Brandenburg, Foto: unbekannt

Fohrder Straßenbrücke und Roskower Eisenbahnbrücke vom Nordufer gesehen, Slg. H. M. Waßerroth

  

Die Kanaltrasse kreuzten sechs Verkehrswege: zwei eingleisige normalspurige Eisenbahnen (die Brandenburgische Städtebahn mit der Teilstrecke Brandenburg - Rathenow und die Kleinbahn Brandenburg Altstadt - Roskow der Westhavelländischen Kreisbahnen), drei Landstraßen (die Landstraße Brandenburg - Plaue (Berlin - Magdeburg) sowie die Landstraßen Brandenburg - Fohrde und Brandenburg - Brielow) und einen Landweg (Brandenburg - Görden). Trotz intensiver Bemühungen der Wasserbauverwaltung zur Einsparung von Kosten gelang es nicht, weder im Wege einer Vereinbarung mit den Beteiligten noch im Wege der landespolizeilichen Anordnung, die Vereinigung wenigstens zweier Verkehrswege und ihre Überführung durch ein gemeinsames Brückenbauwerk zu erreichen. Es blieb somit weiter nichts übrig, als jeden Verkehrsweg durch ein besonderes Bauwerk zu überführen und sich mit den geringen Zugeständnissen zu begnügen. Die Straßen, mit Ausnahme der Landstraße Brandenburg - Plaue, für die ein Kreuzungswinkel von 600 mit der Kanalachse vereinbart wurde, sollten nun senkrecht den Kanal überbrücken und die Brücke im Zuge des damals untergeordneten Landweges Brandenburg - Görden in etwas geringeren Breitenabmessungen als die übrigen und mit nur einem Fußweg ausgeführt werden.

  

Verlag: unbekannt, Foto: unbekannt

Zeitgenössische Darstellung der Plauer Straßenbrücke auf einer am 12.08.1915 gelaufenen Ansichtskarte,

Slg. H. M. Waßerroth

     

Von den Eisenbahnen wurde jede Veränderung der Linienführung rundweg abgelehnt. So war die nur 5,2 km lange Kanalstrecke von sechs Brücken überspannt, etwa alle 0,87 km eine Brücke. Die Durchfahrt unter den Brücken ist so bemessen worden, dass überall bei dem höchsten angenommenen Wasserstand eine lichte Höhe von mindestens 4 m über der ganzen Wasserbreite garantiert ist. Für die Ausführung der Brücken hatte man gefordert, dass der Kanalquerschnitt einschließlich der Leinpfade in voller Breite durchgeführt und die Brückenweite entsprechend bemessen werden sollte, damit die Übersichtlichkeit der Strecke nicht leidet und der Hochwasserabfluss sich nicht an den Brücken staut. Infolge dessen hätten die Brücken, die den Kanal und die Leinpfade komplett und rechtwinklig zur Kanalachse überqueren, eine Stützweite von 60 bis 65 m erfordert. Man begnügte sich der Kosten wegen dann aber höheren Ortes schließlich mit einer Brückenweite von 47,3 m zwischen den vorspringenden Leinpfaden. Bei Anordnung von 1,85 m breiten Treidelsteigen erforderte das eine lichte obere Weite von 51 m und eine Stützweite von 52,2 m senkrecht zur Kanalachse. Die schiefen Brücken wurden entsprechend des Sinus des Kreuzungswinkels länger, so dass die Stützweite der Brücke im Zuge der Landstraße Brandenburg - Plaue auf rund 60,28 m (bei 600), der Brücke im Zuge der Brandenburgischen Städtebahn auf rund 65,39 m (bei 520 58') und der Brücke im Zuge der Kleinbahn Brandenburg - Roskow auf rund 69,43 m (bei 480 45') zu bemessen war. Die letzteren beiden Brücken sind aus Gründen der Auflagerung mit 66,02 und 70,16 m Stützweite ausgeführt worden.

     

Bauzeichnung der Eisenbahnbrücke der Brandenburgischen Städtebahn, Slg. H. M. Waßerroth
      

Bauzeichnung der damaligen Gördenbrücke, Slg. H. M. Waßerroth

   

Im Zuge der damaligen Fohrder Straßen- und Roskower Eisenbahnbrücke entstand diese Konstellation,

Slg. H. M. Waßerroth

  

Quelle: Museum der Stadt Brandenburg, Foto: unbekannt

Rechts Fohrder Straßenbrücke und links Roskower Eisenbahnbrücke von Süden gesehen,

unten rechts das Anschlussgleis zum Umschlaghafen Slg. H. M. Waßerroth

     

Die Breite der Eisenbahnbrücken ergab sich durch das Lichtraumprofil eines Zuges und der Forderung, dass auf beiden Seiten neben einem über die Brücke fahrenden Eisenbahnzug noch ein Streckenwärter Platz finden muss. Der Abstand der Hauptträgerachsen wurde deshalb mit 5 m bemessen. Die Straßenbrücken im Zuge der drei Landstraßen nach Plaue, Fohrde und Brielow hatten 5,6 m Fahrbahnbreite, je 60 cm breite Kutschersteige und 1,65 m breite Gehwege erhalten. Die Hauptträger hatten hier einen Abstand von 6,80 m. Bei der Landwegbrücke für den Weg zur Siedlung und Kolonie Görden wurden die Breitenabmessungen etwas verringert und ein Fußweg gespart. 1912 wurde mit Einbau des Straßenbahngleises für die eingleisige Linie zur neuen Landesirrenanstalt (heute Asklepius-Klinik) auf der Gördenbrücke auch der zweite Fußweg angebaut.

Mit Rücksicht auf die Möglichkeit einer Verbreiterung des Kanals sind die Widerlager der Brückenbauwerke nicht gleichmäßig zur Kanalmitte gestellt worden. Die linken, südlichen Widerlager waren mit ihrer Vorderkante nur 19,75 m von der Kanalachse entfernt, während die rechten Widerlager einen Abstand von 27,55 m hatten. Bei einer am rechten Ufer vorzunehmenden eventuellen Verbreiterung um 7,8 m würden daher erst beide Pfeiler gleichmäßig zur Mitte stehen. Die Widerlager waren aus Stampfbeton, mit roten Klinkern über Niedrigwasser verkleidet und zwischen Spundwänden aus dem Untergrund hochgeführt. Der Aushub der Spundwandkästen und das Einbringen des Betons erfolgte noch in der Trockenbauphase. Größere Schwierigkeiten waren nur bei der Gründung der Widerlager für die Gördenwegbrücke zu überwinden. Auf Grund ungünstiger Untergrundverhältnisse durch weiche Tonschichten mussten Pfähle von 30 bis 40 cm Durchmesser bis in den darunter liegenden tragfähigen Sand, der am nördlichen Widerlager in einer Tiefe von gut 10 m und am südlichen in einer Tiefe von etwa 6 m anstand, gerammt werden. Die Pfahlköpfe wurden untereinander mit einer vielfachen Verschnürung aus hochkant stehenden Flacheisen 40 x 6 mm verbunden und in den Stampfbeton eingebettet.

Die zu den Brücken führenden Rampen hatten bei der Brandenburgischen Städtebahn eine Neigung von 1:250, bei der Kleinbahn Brandenburg - Roskow von 1:200 bzw. 1:150, bei den Landstraßen 1:50, beim Gördenweg 1:40 und bei untergeordneten Wirtschaftswegen 1:25 erhalten.

    

 

Karte am 22.11.1940 gelaufen

Verlag: Gotthilf Erhardt, Brandenburg, Havel, Foto: unbekannt

Das neue Opelwerk 1938, in Bildmitte die südliche Rampe zur Gördenbrücke, Slg. H. M. Waßerroth

  

Besonders sorgsam musste die Verlegung eines 400 mm starken Versorgungsrohres der städtischen Wasserleitung der Stadt Brandenburg, die vom Wasserwerk im Altstädtischen Forst kommend, die Kanalstrecke im Körper des Gördenweges kreuzte, behandelt werden, damit eine Unterbrechung in der Wasserversorgung der Stadt verhindert wurde. Die Stadtverwaltung verlangte die Querung des Kanals im Zuge des neuen Gördenweges mit der Brücke und nicht einer Unterdükerung. Diese erforderliche neue Leitung von 390 m wurde erst nach Fertigstellung der Brückenanlage verlegt. Sie wurde an einem Sonntag, wo nur ein geringer Wasserverbrauch angenommen wurde, an die vorhandene Druckrohrleitung angeschlossen. Die ganze Unterbrechung der Leitung hatte kaum zwölf Stunden in Anspruch genommen.

      

Einmündung des Silokanals in den Quenzsee heute, Aufnahme am 16.07.2013, © H. M. Waßerroth

         

Trotz zahlreicher und mannigfacher Vorteile, die der neue Silokanal außer für die Schifffahrt und die Vorflut auch für die Stadt Brandenburg hatte, war die Befürchtung nicht von der Hand zu weisen, dass mit der Abkopplung der Stadt vom Hauptdurchgangsverkehr der örtliche Schiffs- und Umschlagverkehr von den bisher benutzten öffentlichen und privaten Lösch- und Ladeplätzen in der Stadt sich nach anderen Stellen, ja unter Umständen von der Stadt ganz weggehen könnte. Um diesem einschneidenden Nachteil vorzubeugen, entschloss sich die Stadtverwaltung, mit dem Bau des Silokanales auch gleich einen Hafen anzulegen, dessen wasserbauliche Anlagen bereits mit der Eröffnung des Kanals dem Verkehr übergeben werden konnten. Dieser Hafen, der zwar heute in Teilen noch besteht, aber nicht mehr genutzt wird, liegt in einer 16 m (damals zwei Plauermaß-Kahnbreiten) tiefen Ausbuchtung von 450 m Länge am linken Kanalufer zwischen der Brielower und der Fohrder Straße. Das Becken war imstande, 14 Fahrzeuge von 65 m Länge und 8 m Breite oder 40 Finowkähne zugleich aufzunehmen, ohne dass der Verkehr in der Schifffahrtstraße gestört wird. Die Sohle des Hafenbeckens liegt gleichtief mit dem mittleren Teil des benachbarten Kanalquerschnittes.

Der Umschlaghafen hatte dann auch die erforderlichen Gleisanlagen mit einem Anschluss an den Bahnhof Brandenburg Altstadt der Brandenburgischen Städtebahn erhalten und wurde zunächst den Anforderungen entsprechend nur mit einem Lagerschuppen und zwei elektrischen Portalkranen ausgestattet. Die Erweiterung des Hafenbeckens wie auch der Gleis- und Schuppenanlagen, Lagerplätze usw. war durch vorausschauenden Grunderwerb seitens der Stadt Brandenburg sichergestellt.

  

Verlag: unbekannt, Foto: unbekannt

Schleppzug auf dem Silokanal in Höhe des damaligen städtischen Umschlaghafens westlich der Brielower Straße, Aufnahme 1917, Slg. H. M. Waßerroth

  

Die Baukosten für den Silokanal haben im ganzen 2,12 Mio. Mark betragen, was für 1 km Kanallänge rund 408.000 Mark entspricht. Dieser Wert war für einen Kanal ohne Schleusen zwar hoch, wurde aber beim Silokanal auf Grund des großzügigen Querschnitts, der weitgespannten Brücken und vor allem in Anbetracht der großen Zahl dieser Bauwerke erklärlich. Von diesen Kosten entfielen auf den Grunderwerb für die benötigten 80 ha einschließlich Abfindungen, Pacht, Umbau von Scheunen u. dgl. 270 000 Mark.

Die Kosten für Erdarbeiten haben insgesamt rund 570 000 Mark betragen bei rund 1,1 Mio. m3 Bodenförderung. Davon sind 700 000 m3 mit Trockenbagger und Seitenförderer, 220 000 m3 mit Nassbaggern in den Mündungsstrecken und den Erdkernen der Brückenbaustellen gefördert und im Klapp- oder Spülverfahren verbaut und 180 000 m3 mit Lokomotiv- und Pferdebetrieb nach vorheriger Förderung von Hand in Rampen und Molen verfahren worden. Die Brückenbauwerke und sonstigen Kunstbauten haben einen Aufwand von 650 000 Mark erfordert. Für die zwölf Brückenwiderlager sind einschließlich aller Arbeiten und Lieferungen Aufwendungen von zusammen 183.000 Mark erforderlich gewesen.

  

Lage

Art

Stützweite

Breite

Hauptträgerabstand

Gewicht

 

 

in m

in m

in m

in t

Plauer Straße

Straßenbrücke

60,28

10,10

6,80

272,8

Städtebahn

Eisenbahnbrücke

66,02

5,00

5,00

231,7

Gördenweg

Straßenbrücke

52,20

8,10

6,40

191,9

Roskower Bahn

Eisenbahnbrücke

70,16

5,00

5,00

260,0

Fohrder Straße

Straßenbrücke

52,20

10,10

6,80

200,0

Brielower Straße

Straßenbrücke

52,20

10,10

6,80

199,2

 

Die Ausführung der Nassbaggerarbeiten übernahm die Firma H. Leymann aus Bremen, die der Trockenbaggerarbeiten wurde im ersten Jahr ebenfalls durch Unternehmer erbracht, dann aber von der Wasserbauverwaltung mit eigenen Maschinen selbst übernommen. Die Ausführung der Brückenwiderlager erledigte die Firma Risse aus Güstebiese, die Lieferung der eisernen Überbauten für die drei schiefen Brücken ging an die Firma Hein, Lehmann u. Ko. in Berlin-Reinickendorf und für die drei senkrechten Straßenbrücken an die Brückenbauanstalt Beuchelt u. Ko. in Grünberg. Die Herstellung der Ufermauer am städtischen Hafen ist durch die Firma Drenkhahn u. Sudhop, die auch den Entwurf ausgearbeitet hatte, erfolgt. Die Herstellung der übrigen Arbeiten erfolgte durch den Bauherr und zum Teil auch durch örtliche Unternehmer.

  

Blick von der Roskower Eisenbahnbrücke Richtung Brielower Brücke heute, Aufnahme am 15.07.2013, © H. M. Waßerroth

    

Der neue Silokanal brachte große Erleichterungen für die Schifffahrt und beendete endlich das leidige Thema einer effektiven Hochwasserableitung.

War das Gebiet, welches der Kanal durchschneidet anfangs nur Ackerland und Wiesen, so zog es nun Industriebetriebe an, die hier günstige Verkehrswege für einen neuen Standort fanden. Brandenburg wurde zu einer modernen Industriestadt.

Bereits 1912 errichtete die Philipp Weber GmbH hier zwischen Silokanal, Städtebahn und Magdeburger Landstraße das erste Stahlwerk, welches dann 1917 an die Deutsch-Luxemburgische Bergwerks- und Hütten-Aktiengesellschaft verkauft und 1926 von der Friedrich Flick Gesellschaft übernommen wurde. Obwohl ein wichtiger Rüstungsbetrieb, wurden die Werksanlagen im Zweiten Weltkrieg nicht zerstört. Erst die Russen brachten durch die vollständige Demontage 1946/47 das erste Aus für diesen Brandenburg prägenden Industriezweig.

    

Foto: unbekannt

Stahlwerk der Deutsch-Luxemburgischen Bergwerks- und Hütten-AG, gut erkennbar die Brücke der Städtebahn über den Silokanal, Aufnahme um 1920, Slg. H. M. Waßerroth

    

1937 erfolgten erste Ausbauarbeiten. Die Kanalsohle wurde tiefer gelegt und die abgebaggerten ca. 160.000 m3 Boden spülte man in einer großen Bucht des Breitlingsees nördlich der Havelmündung auf dem damaligen Arado-Gelände wieder auf.

Der Zweite Weltkrieg ging auch am Silokanal nicht spurlos vorbei und brachte in Folge einige Zerstörungen.

Am 25.04.1945 rückten gegen 14 Uhr russische Kampfverbände von Brielow her bis zum Silokanal. Obwohl die Russen bereits über Schmerzke und die Potsdamer Vorstadt nach Brandenburg eindrangen, wurden die Brücken am Kanal (Brielower Brücke, Fohrder Straßenbrücke, Roskower Eisenbahnbrücke, Gördenbrücke, später auch die Plauer Straßenbrücke [Quenzbrücke]) gesprengt, um die Truppen vom Norden her aufzuhalten. Die Städtebahnbrücke blieb als einzige Brücke in ihrer Ursprungsform bis zum Ersatzneubau 2000 erhalten.

  

Foto: unbekannt

Das neue im Aufbau befindliche Stahlwerk als sozialistischer Großbetrieb an Stelle des alten "Weberwerkes", Aufnahme um 1950, im Hintergrund noch die Ruine des Opelwerkes mit dem Schornstein des Kraftwerkes. Es wurde kurz danach platt gemacht. Slg. H. M. Waßerroth

 

Die Straßenbrücken, mit Ausnahme der Fohrder Straßenbrücke, sie wurde nie wieder aufgebaut, wurden in den ersten Nachkriegsjahren schnellstmöglich wieder hergestellt. Für die Plauer Straßenbrücke (Quenzbrücke) verwendete man als Ersatz einen Pionierbrücken-Überbau. Dieser Behelf bestand bis zum Neubau der ca. 100 m weiter westlich gelegenen heutigen Quenzbrücke. Der Neubau erfolgte in den Jahren 1965/66 als Betonbrücke mit vierzelligem Hohlkasten im Spannblockverfahren. Der Brückenüberbau wurde als Durchlaufträger mit Stützweiten von 35,0 - 66,50 - 19,00 Meter angelegt. Alle Relikte der alten Brücke samt Widerlager wurden nach der Verkehrsübergabe der neuen Quenzbrücke 1967 entfernt. Heute deutet nur noch der Verlauf der Baumallee an der Straßenbahnwendeschleife auf den Verlauf der alten Straße zur Brücke hin.

Die Gördenbrücke wurde am alten Standort nicht wieder aufgebaut. Für ihren Neubau ca. 200 m weiter östlich in Verlängerung der heutigen August-Bebel-Str. verwendete man die geborgenen wiederverwertbaren Teile der Fohrder Straßenbrücke, der alten Gördenbrücke und einer 3. Brücke. Mit dem Bau an diesem Standort folgte man einer Planung von 1935, die die Neuanlage der Straßen im Zuge der heutigen Bundesstraße 102 in diesem Bereich vorsah. Zusammengebaut wurde der neue stählerne Überbau auf der Kaianlage des ehemaligen Heeresverpflegungsamtes, dann auf Prahme gesetzt und von dort eingeschwommen. Mit Einweihung der neuen Gördenbrücke am 18.12.1948 war ein durchgehender Straßenbahnbetrieb nach Plaue und Kirchmöser wieder möglich. Dieser Brücken- "Altneubau" entwickelte sich in den 1970/80er Jahren immer mehr zum Nadelöhr. Deshalb plante man schon zu DDR-Zeiten einen Ersatzneubau, der dann 1989 begonnen und 1992 fertiggestellt wurde. Bei den beiden Kanalverbreiterungen verschwanden in den 1970er Jahren von der ursprünglichen Gördenbrücke das nördliche Widerlager und kurz nach 2002 das südliche Widerlager.

    

Die nach dem Krieg aufgebaute Gördenbrücke, Aufnahme am 31.12.1977, © H. M. Waßerroth 

     

Blick durch die Gördenbrücke Ende der 1980er Jahre, Straßenbahnen durften sich auf ihr nicht begegnen, die Bauarbeiten für die neue Gördenbrücke neben der alten hatten bereits begonnen, © H. M. Waßerroth 

    

Abbruch der nach dem Krieg aufgebauten Gördenbrücke, Aufnahme: Anfang März 1992, © H. M. Waßerroth

    

Die zur Verschrottung auf das südliche Kanalufer zurück gezogene alte Gördenbrücke,

Aufnahme: Anfang März 1992, © H. M. Waßerroth

     

Für die Brielower Brücke musste einige Zeit ein Behelfsbau reichen. Die Brielower Brücke in der heutigen Konstruktion entstand dann 1958 als Ersatz für die alte Brücke und wurde am 07.05.1960 eingeweiht.

Die Trümmer der Roskower Eisenbahnbrücke wurden zwar gehoben, um den Kanal befahrbar zu machen. Zu einem Aufbau der Roskower Eisenbahnbrücke kam es aber vorerst nicht.

In Folge des erneuten Ausbaus der Stimmingsarche von 1963 bis 1966 auf eine Durchflusskapazität von 242 m3 je Sekunde wurde dann auch zwischen 1970 und 1973 die beim Bau des Kanals eingeplante Erweiterung am Nordufer realisiert. Diese Erweiterung umfasste die Entfernung des auf dem Nordufer befindlichen Erdwalls, eine Verbreiterung des Kanals von 6,50 m und eine erneute Tieferlegung der Kanalsohle. Die anfallenden Erdmassen wurden innerhalb der Stadt Brandenburg verbaut.

Im Rahmen der Verkehrsprojekte deutsche Einheit nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten gehörte der Silokanal als Bestandteil der Wasserstraßenverbindung Hannover-Magdeburg-Berlin zum Projekt Nr. 17. In diesem Zusammenhang erfolgte eine erneute Tieferlegung der Kanalsohle auf eine Wassertiefe von 4 m und eine nochmalige Verbreiterung auf der Nordseite, diesmal auf 55 m Wasserspiegelbreite. Diese Ausbauarbeiten begannen 2002 und endeten am 05.10.2005 mit der Verkehrsübergabe. Gleichfalls wurden beide Eisenbahnbrücken neu gebaut. Die Städtebahnbrücke von 1910 erforderte ohnehin dringend einen Neubau wegen Kriegs- und starker Korrosionsschäden. Sie wurde wie auch der neue Stadthafen im Jahr 2000 übergeben.

     

Die alte Städtebahnbrücke, Aufnahme Frühjahr 1999 vor Beginn der Umbauarbeiten, © H. M. Waßerroth 

     

Blick durch die alte Städtebahnbrücke, Aufnahme im Mai 1981, © H. M. Waßerroth 

  

Beginn der Bauarbeiten zum Neubau der Städtebahnbrücke 1999, © H. M. Waßerroth 

    

Auch die Roskower Eisenbahnbrücke, 1969 erst als Ersatz für die 1945 gesprengte ursprüngliche Brücke wieder aufgebaut, um die nördlich des Silokanals gelegenen Betriebe nach Stilllegung der Westhavelländischen Kreisbahn bedienen zu können, musste u. a. wegen Schäden neugebaut werden. Sie entstand westlich, direkt neben der alten Brückenachse. Betriebsübergabe für diese nun 108,30 m lange, einer Anschlussbahn dienenden Eisenbahnbrücke war am 29.08.2008. Die alte Brücke von 1969 wurde anschließend samt Widerlager abgerissen dabei verschwanden dann auch die Reste des nördlichen Widerlagers der 1945 gesprengten nicht wieder aufgebauten Fohrder Straßenbrücke.

Für die Brielower Brücke von 1958 ist ebenfalls ein Ersatzneubau geplant.

     

Roskower Eisenbahnbrücke, gegenüber das nördliche Doppelwiderlager für die Eisenbahn- und alte Straßenbrücke, hinter der Eisenbahnbrücke der Ersatzneubau, Aufnahme 19.07.2008, © H. M. Waßerroth 

   

Ausflugsschiff auf dem Silokanal nahe der Quenzbrücke heute, im Hintergrund die neue Brücke der Städtebahn, Aufnahme am 16.07.2013, © H. M. Waßerroth 

    

Brücke der Städtebahn heute, Aufnahme am 25.03.2014, © H. M. Waßerroth 

     

So sah der 1910 angelegte einstige städt. Umschlaghafen nach seiner Außerbetriebnahme und Abriss der einstigen Gebäude aus, unten rechts noch alte Befestigungen für die Schienen des Portalkranes. Die hintere Hälfte des einstigen Hafengeländes ist heute eine Marina mit eigenem Hafenbecken abgetrennt vom Kanal. Aufnahme am 25.03.2014, © H. M. Waßerroth 

     

Karte am 18.09.1951 gelaufen

Verlag und Foto: Hans Andres, Berlin

Blick von der Brielower Brücke nach dem Krieg,

die Roskower Eisenbahnbrücke wäre am Horizont zu sehen gewesen, aber sie existierte nicht mehr, Slg. H. M. Waßerroth

 

Blick von der Brielower Brücke über den Silokanal zur Marina auf dem ehemaligen Umschlaghafengelände,

Aufnahme am 28.03.2016

  

Das ehemalige Heeresverpflegungsamt hatte Bahn- und Wasseranschluss, hinten die neue Roskower Eisenbahnbrücke, Aufnahme am 25.03.2014, © H. M. Waßerroth 

   

aus verschiedenen Quellen

bearbeitet und ergänzt von H. M. Waßerroth

CC BY-NC-ND 3.0 de

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Vers. 1.13.4. vom 01.06.2024

© Harumi Michelle Waßerroth