Die Schleppzugschleuse in der Krakauer Vorstadt

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Luftbildaufnahme der Schleuse Brandenburg einschließlich der Vorhäfen und der Anschlussstrecke an den Silokanal,

Quelle: Wasserstraßen-Neubauamt Berlin

 

Unsere Schleppzugschleuse in Brandenburg an der Havel ist die größere, aber auch jüngere Schwester der heute als Doppelschleuse bezeichneten Vorstadtschleuse. Ursprünglich waren es zwei unterschiedliche Schleusen die zeitlich nacheinander nebeneinander erbaut wurden, wobei die Schleppzugschleuse jüngeren Datums ist und die größere Schleusenkammer besitzt. Sie liegt südlich neben der 'alten' Vorstadtschleuse. Beide Schleusen gelten heute als ein Schleusenkomplex und werden durch einen zentralen Steuerstand auf dem Mitteldamm fernbedient.

Die 'alte' Vorstadtschleuse wurde von 1881 bis 1883 als Kammerschleuse in der heutigen Anlage der Vorgänger der Nordkammer erbaut. Sie hatte eine Kammerlänge von 67 m und eine Kammerbreite von 16,60 m bei einer Torweite von 9,60 m. Sie besaß an den Häuptern hölzerne Stemmtore. Durch die größeren Abmessungen konnten nun auch Plauermaß-Kähne (65 m x 8 m Größe) geschleust werden, was wegen der geringeren Weiten in der als Kesselschleuse ausgeführten Stadtschleuse vor dem Steintor nicht möglich war. Nach dem Gesetz vom 04.08.1904, "Die Verbesserung der Vorflut- und Schifffahrtverhältnisse in der unteren Havel" und darauf der Bereitstellung umfangreicher Geldmittel, fiel der Entschluss zum Bau einer leistungsfähigen Schleusenanlage südlich neben der bereits bestehenden Schleuse in der Brandenburger Krakauer Vorstadt. Der Standort ergab sich in Verbindung mit dem Bau des Silokanals, dessen Mündung in den Beetzsee genau gegenüber geplant war.

  

Lageplan der Schleppzugschleuse neben der Vorstadtschleuse, Slg. H. M. Waßerroth

 

Die Anlage erfolgte damals so, dass die Oberhäupter beider Schleusen nebeneinander im Oberwasser in einer Höhe abschlossen. Die Schleppzugschleuse ragte daher ihrer Größe wegen mit der rechten Kammerwand rund 145 m in das Unterwasser der nur 67 m Kammerlänge aufweisenden alten Vorstadtschleuse hinein. Sie hat bei einer Breite von 17,5 m eine Drempel- und Kammertiefe von 3 m bei dem für Brandenburg a.d.H. ermittelten Unterwasser von + 0,40 m Brandenburger Pegel und bei einer nutzbaren Kammerlänge von 220 m, so dass ein Dampfer mit sechs großen Kähnen in der Schleuse Platz hat. Die Torbreite beträgt 10 m.

Die Gründung wurde durchweg auf Beton zwischen Spundwänden angelegt, und der Grundbeton ist überall als Schüttbeton (1 Teil Zement, 2 Teile Sand, 3 Teile grober Elbekies und 3 Teile Granitschotter) unter Wasser eingebracht worden. Dabei ist die Stärke jeweils nach den Boden- und Auftriebsverhältnissen bemessen und schwankt zwischen 3,2 m in den Häuptern und 1,5 m in der linken (landseitigen) Kammerwand. Die umschließenden Spundwände sind an den Häuptern bis 3 m, an den Kammerwänden 2 bis 2,5 m unter die Sohle des Schüttbetons hinab geführt und an der ganz im Wasser stehenden rechten Kammerwand auch tiefer als an der landseitigen Kammerwand geführt.

Zur gleichmäßigen Beanspruchung des Untergrundes und der Betonsohle sind die Häupter durch zwei innere Längsspundwände in drei Abschnitte zerlegt worden. Diese Zwischenwände sind, da sie lediglich eine Teilung der Sohle bewirken sollen, nur 1,5 m unter die Sohle hinab geführt. Von der Schleusensohle, sie liegt bei - 2,60 m Brandenburger Pegel, sind die Kammermauern bis Niedrigwasser (+ 0,40 m Brandenburger Pegel) in Kies-Stampfbeton 1:6 und von da ab in Klinkermauerwerk aufgemauert worden. Die Häupter sind bis auf die abdeckende Rollschicht aus Stampfbeton gleicher Mischung hergestellt und haben vom Niedrigwasser an eine Verblendung aus gelben Klinkern erhalten, die abwechselnd aus sechs Schichten von 38 cm und sieben Schichten von 25 cm Stärke besteht.

  

Foto: unbekannt

Blick auf die Schleusenbrücke und die darunter liegenden Oberhäupter, Slg. H. M. Waßerroth

    

Die Wasserhaltung in der Baugrube war durch Oberflächenabsenkung so realisiert, dass die Spundwandkästen einzeln oder in Gruppen durch Kreisel von 30 cm Rohrdurchmesser mit Lokomobilantrieb unter gleichzeitiger Versteifung der Spundwände ausgepumpt, abgedichtet und trocken gehalten wurden.

Zur Vermeidung unerwünschter und unregelmäßiger Risse in den Kammerwänden hat man in Abständen von 13 bis 15 m Trennungsfugen angeordnet. Für die Einfassung der Oberkante der Schleusenplattform sind an den Längsseiten abgerundete Eisenklinker "bester Beschaffenheit", an den kurzen Querseiten der Häupter, wo die Stahltrossen sehr stark scheuern, gut verankerte gusseiserne Kantenverkleidungen mit gleichem Querschnitt wie die abgerundeten Eisenklinker eingebaut worden. Nachfolgende Betriebserfahrungen hatten dann aber gezeigt, dass diese beide Arten für Schleppzugschleusen mit starkem und schwerem Verkehr wie auf der unteren Havelwasserstraße für Schleusen mit senkrechten Wänden nicht empfehlenswert sind. Die Eisenklinker sprangen durch Stöße von Kähnen vielfach ab und mussten dann immer mit viel Mühe und großen Kosten ausgewechselt werden, wenn die defekten Stellen nicht Ausgangspunkt für weitere Beschädigungen sein sollten. Gleiches gilt für die gusseisernen Verkleidungen der Kanten. Sie sind ebenfalls durch den Anprall von 600 t-Kähnen stellenweise gebrochen und wurden danach durch solche aus Stahlguss ersetzt. Diese blieben dann unversehrt.

Um zu erreichen, dass die Kammerwand auf der Landseite möglichst nur durch den Wasserdruck eines dem Unterwasser ähnlichen Grundwasserstandes beansprucht wird, ist hinter ihr ein Sickerkanal angeordnet worden, der neben dem Unterhaupt in Höhe des Niedrigwassers ins Unterwasser ausmündet. Für eine einfache Prüfung und Überwachung wurden an einigen Stellen Standrohre von 10 cm Durchmesser eingebaut und ähnlich einer Hydranteneinfassung mit Straßenkappen abgedeckt.

Zur Erleichterung der Ein- und Ausfahrt der Schiffe hat man im Ober- und Unterhaupt die Wände nach der ausbuchtenden Kammerwand zu und im Unterhaupt außerdem die am Unterwasser liegenden Innenkanten abgeschrägt. Diese eigentlich gute Absicht hat sich jedoch nicht bewährt, denn die Fahrzeuge verlieren dadurch vorzeitig ihre Leitwand und fahren infolgedessen oft mit großer Wucht gegen Tore und Schleusenmauern. Außerdem wird der Schleusenbetrieb durch unstetes Fahren behindert.

Die Schleppzugschleuse besitzt keine Betonsohle in der Schleusenkammer. Auf Grund von Beobachtungen, die bei den Trockenlegungsarbeiten der beiden anderen Brandenburger Schleusen (der Stadtschleuse im Winter 1903/04 und der Vorstadtschleuse im Winter 1904/05) mit ähnlichen Untergrundverhältnissen gemacht worden waren, war man nämlich zu der Überzeugung gekommen, dass eine Sohlenbefestigung gegen den Auftrieb für die Schleppzugschleuse nicht notwendig sei. Vielmehr wurde nur eine kräftige Steinschüttung zur Verhinderung von Auskolkungen durch das bei den Schleusungen ein- und ausströmende Wasser für erforderlich erachtet. Diese Steinschüttung, von 80 cm Stärke am Oberhaupt nach unterhalb bis auf 20 cm abfallend und vor dem Unterhaupt wieder auf 50 cm zunehmend, hat sich gut bewährt und der Wasserbauverwaltung große Kosten erspart. Es hatte sich im Laufe der Betriebszeit zudem gezeigt, dass die Steinschüttung sogar besser ist als eine Betonbefestigung, weil sie die wirbelnde Bewegung des Wassers recht schnell aufhebt. In der ersten Zeit musste die Schüttung an einzelnen Stellen zwar noch verstärkt und ergänzt werden, aber vom sechsten Monat nach der Betriebseröffnung sind keine weiteren Nachschüttungen erforderlich geworden und auch keine nennenswerten Kolke und Bodenverschiebungen mehr in der Schleusenkammer aufgetreten.

In der Schleppzugschleuse kann zeitweise ein höherer Wasserstand vorhanden sein als in der dicht daneben liegenden Vorstadtschleuse und in ihrem Unterkanal. Dieser Höhenunterschied kann im Sommer bis 1,6 m betragen. Um dem unter Überdruck stehenden Wasser zur Nachbarschleuse oder dem Unterkanal hin das Durchsickern möglichst zu vermeiden, ist längs der ganzen rechten Kammerwand ein 6 m breiter Tonstreifen von 50 cm Stärke eingebracht worden.

Die Füllung und Entleerung der Schleuse erfolgt in jedem Haupt durch zwei Umläufe, die oberhalb und unterhalb der Tore einander gegenüber austreten. Jeder hat einen Querschnitt von 5,57 m2. Zur Unterstützung der Umläufe ist in jedem Torflügel noch ein 1,0 m2 großes, durch Umlegehebel zu bedienendes Klappschütz eingebaut. Als günstigste Füllzeiten sind bei einem größten Wasserunterschied von 1,6 m sieben bis acht Minuten möglich. Dabei erfordert eine Füllung rund 6200 m3 Wasser. Die Wandungen der Umläufe sind zum Schutz gegen Schäden aus einer fetten Mörtelschicht 1:2 in 10 cm Stärke unmittelbar im Verband mit dem übrigen Betonmauerwerk hergestellt und zum Verschließen der Poren und feinen Löcher noch mit Zementmilch gestrichen worden. Als Verschlussvorrichtung für die Umläufe dienen keilförmige Rollschützen, die von Hand bewegt werden und durch Gegengewichte ausgeglichen sind.

    

Schnitt durch die Oberhäupter beider Schleusen: oben Schleppzugschleuse, unten Vorstadtschleuse, Slg. H. M. Waßerroth

     

Als Tore wurden eiserne Stemmtore mit gekrümmter Blechhaut eingebaut. Auch die Tore wurden ursprünglich von Hand bewegt. Sie ließen sich leicht von je einem Mann bedienen und konnten in ein bis zwei Minuten geöffnet oder geschlossen werden. Die Bewegung war durch Zahnstangenantriebe gewährleistet.

In der Schleusenkammer sind Steigleitern angebracht, so dass jederseits fünf Leitern in Abständen von 40 bis 45 m angeordnet sind und zwar so, dass bei darin liegenden Finowkähnen sich mindestens neben jedem Kahn eine Leiter befindet. Poller sind in Abständen von 25 bis 30 m an jeder Seite vorgesehen, ferner in reichlicher Zahl Haltkästen, diese in zwei Höhen, 60 cm über dem Niedrigwasser und 50 cm über dem Sommerstau (+2,0 m Brandenburger Pegel). Ihr Abstand beträgt in jeder Schicht 20 m.

Zur Trockenlegung der Schleusenhäupter dienen Notverschlüsse, die als Nadelwehre ausgebildet sind. Die Lehnen, breitflanschige Greyträger, die mit einer zulässigen Beanspruchung von 1500 kg/cm2 berechnet sind und in ausgesparte Kästen an den Häupterenden gelegt werden, können ohne eine Zwischensteifung eine Stauhöhe von 4,5 m aufnehmen. Die dagegen zu legenden Nadeln sind aus Mannesmann-Rohren von 11 cm Durchmesser und 3 mm Wandstärke, die eine Beanspruchung bis 2000 kg/cm2 zulassen. Allerdings muss zur Erzielung einer vollständig wasserdichten Wand vor diese Nadeln noch ein Segeltuch gelegt werden, das zweckmäßig unten beschwert wird.

Beim Bau der Vorstadtschleuse 1881/83 war die Landstraße Brandenburg - Klein Kreutz etwas verlegt und mit Rampen von 1:50 über das Oberhaupt hinweg geführt worden. Als Widerlager für die einfache Brücke dienten die hochgeführten Seitenwände des Oberhauptes. Diese Brücke hatte Mastenklappen für segelnde Kähne erhalten, die aber seit Jahren zu diesem Zweck fast nicht mehr benutzt worden waren.

Raum für die damals noch üblichen Leinpfade war nicht gelassen worden, deshalb musste der "Uferverkehr" der Schleusenwärter und Schiffer immer über Treppen an jeder Seite die Landstraße überqueren. Die Notwendigkeit der Brückenerweiterung durch den Einbau der Schleppzugschleuse bot einen willkommenen Anlass zur Beseitigung dieses unerträglichen Zustandes. Um die Übersichtlichkeit zu erhöhen, den Längsverkehr an der Schleuse zu fördern und um schließlich auch für den Betrieb die größtmöglichen Vorteile zu erreichen, wurde eine Brückenerweiterung vorgenommen, die die Vorstadt- und Schleppzugschleuse mit der dazwischen liegenden Plattform mit einer einzigen Brücke überspannt. Da diese Brücke nun eine Spannweite von mindestens 45 m erhalten musste, also beträchtliche Auflagerdrücke von den Widerlagern auf den Baugrund zu übertragen waren, ergab sich als weitere Forderung die Herstellung selbständiger Widerlager hinter den Schleusenhäuptern. Diese wurden der Sicherheit halber mittels Pfählen durch den feinen Sand hindurch auf gröber geschichteten Sand gegründet. Die Köpfe dieser Pfähle sind mit hochkantigen Bandeisen vielfach durcheinander und kräftig verschnürt 50 cm in den Stampfbeton der Widerlager eingebettet worden. Dies hatte man so eingeteilt, dass die eigentlichen vier Tragpfeiler für die Brückenauflast auf besonderen Pfahlbündeln stehen, und dass die jederseits zwischen zwei Pfeilern liegende Stützmauer für sich auf einzelnen Pfählen ruhend eingebaut und durch Trennungsfugen von den Pfeilern selbst getrennt wurde.

 

 Querschnitte durch die Oberhäupter der Schleusen und der Schleusenbrücke, bereits hier erkennbar der unterschiedliche Bau der beiden Schleusen, Slg. H. M. Waßerroth

   

Die Widerlager der neuen Brücke bestanden aus Stampfbeton 1:6 und waren über Gelände mit gelben Klinkern verblendet. Sie hatte eine Stützweite von 46,2 m und die Hauptträger waren als Zweigelenkbogen mit Zugband ausgebildet. Für die Herstellung der Fahrbahn sind auf die Flanschen der Belageisen mit Zementmilch gestrichene Bandeisen 50x2 mm gelegt und mit dem darüber eingeschütteten Stampfbeton 1:3 eingestampft worden. Dadurch konnte eine kostspielige Schalung gespart werden. Dieses Verfahren war zwar billig und sehr einfach, hat sich aber nicht bewährt. Die Eisenbleche lagen niemals ganz eben und gleichmäßig an, infolgedessen quoll bereits bei der Herstellung Beton durch, und später traten Wasserausschwitzungen und Kristallbildungen besonders an den Stellen auf, wo die Bleche nicht richtig auflagen. Auf die Herstellung der Füllbetonunterlage, deren Oberfläche profilgerecht nach Längs- und Quergefälle ausgebildet wurde, folgte mit ein bis zwei Tagen Zwischenzeit die Herstellung des Pflasters, das in einer 2 bis 3 cm starken Schicht von Sand, Zement und Trass 2:1:½ gemischt, trocken verlegt und gerammt wurde. Darauf kam aus Striegauer Granit bestehendes Kleinpflaster von 10 cm Höhe, mit einer dünnflüssigen Mischung von Sand, Zement und Trass 1½:1:½ vergossen. Diese dünnflüssige Mischung wurde mehrmals unmittelbar hintereinander, bis sich keine Hohlräume mehr zwischen den Steinen zeigten, aufgetragen. Die Herstellung der Fußwege geschah ähnlich, nur wurden hier Mosaiksteine und Betonfliesen verlegt. Dieses Verfahren wurde nach dem Vorbild der Glienicker Brücke bei Potsdam gewählt, weil ihm eine gleichmäßige und infolge des Trasszusatzes dichte, der Abnutzung gleichmäßig unterworfene Fahrbahntafel nachgesagt wurde. Die an das Pflaster auf der Schleusenbrücke geknüpften Hoffnungen haben sich allerdings nicht ganz erfüllt. Schon nach kurzer Zeit begann Wasser durchzusickern und den Zement auszulaugen, indem sich an der Unterfläche Kalkkristalle bildeten. Dadurch wurde die Farbe an der Fahrbahn abgefressen. Aus diesem Grund wurde bei späteren Bauten, wie den Brücken des Silokanals, auch dem Füllbeton Trass zugesetzt und zwischen Füllbeton und Fahrbahn noch eine Isolierschicht eingebracht.

    

Foto: unbekannt

Schraubenschlepper "Tann" verlässt gerade die Schleppzugschleuse, Aufnahme vor 1929, Slg. H. M. Waßerroth

Dieser Schlepper wurde 1908 auf der Werft von Cäsar Wollheim in Breslau für die Reederei S.D.C.-B.L. AG (Schlesische Dampfer Compagnie - Berliner Lloyd A.G.) gebaut und 1929 bei J.G. Hitzler in Lauenburg auf Dieselantrieb umgerüstet.

   

Zur Aufrechterhaltung des Landverkehrs während der Bauausführung des Oberhauptes und der Schleusenbrücke wurde im Jahre 1907 oberhalb der Schleusenbauwerke eine 60 m lange und 7 m breite hölzerne Notbrücke errichtet. Als Schifffahrtöffnung wurde in diese eine 12 m weite Öffnung vor dem Oberhaupte der Vorstadtschleuse eingebaut und mit breitflanschigen Greyträgern überdeckt. Die lichte Höhe der Öffnung war entsprechend der der alten Brücke über die Vorstadtschleuse.

Der Bau der neuen Schleppzugschleuse neben die alte Vorstadtschleuse zwang auch zu einer ganz beträchtlichen Erweiterung der vorhandenen Vorhäfen. Im Oberwasser waren große Wiesenflächen und rund 100.000 m3 Boden abzubaggern. Dadurch entstand ein Vorhafen von etwa 600 m Länge bei 60 bis 100 m Breite. Im Unterwasser wurde der ganze südliche Teil des Beetzsees einschließlich der Mündung des Silokanals durch Aufschütten von Molen zu einem ausgedehnten Warte- und Liegeplatz ausgebaut. Diese Anordnung erwies sich hier um so nötiger, weil zukünftig der gesamte Durchgangsverkehr von Brandenburg von etwa 45.000 Schiffen durch den Silokanal in den Beetzsee geleitet werden sollte, so dass hier dauernd mit großen Schiffbewegungen und vorübergehend auch mit großen Ansammlungen gerechnet werden muss. Diese Molen wurden soweit wie möglich mit Bäumen bepflanzt, damit sie der Schifffahrt später möglichst auch Windschutz gewähren können. Die Schüttung der Molen, besonders der Köpfe, machte große Schwierigkeiten, da der Beetzsee an jener Stelle über dem sandigen Untergrund eine 3 bis 4 m starke Moorschicht aufweist, durch die die Schüttungen hindurch erfolgen mussten. Die dabei aufgequollenen Moormengen wurden, wo nötig, dann später wieder abgebaggert. Die Befestigung der Molen und Ufer geschah mittels Spundwänden, wozu die beim Bau gewonnenen Abschnitte verwendet und mit darüber liegendem Pflaster aus sächsischem Sandstein auf Steinschlag oder Kiesbettung befestigt wurden.

    

Verlag: Reinicke & Rubin, Magdeburg, Foto: unbekannt

Der Schleusenkanal zur Vorstadtschleuse 1907 vor der Erweiterung, im Hintergrund der Dom

 

Die Bauausführung der Schleppzugschleuse begann im August des Jahres 1906, nachdem bereits im Winter 1904/05 der neben der Vorstadtschleuse liegende Teil der nördlichen Kammermauer im Schutze der zum Einbau neuer Untertore eingerichteten Wasserhaltung in seinen Grundmauern hergestellt worden war.

Zu dieser Zeit war noch die Lage des Oberhauptes entgegengesetzt der endgültigen Anordnung geplant, was die unter der Schleusensohle noch vorhandenen Spundwandreste im oberen Teil der Kammer bezeugen. Im Herbst des Jahres 1906 wurde dann zunächst die nördliche Schleusenmauer, die sogenannte Trennungswand, weil sie die Schleuse vom Unterwasser der Vorstadtschleuse trennt, gegründet und zum Teil hochgeführt. Im Jahre 1907 wurde dieser Teil und die Wand neben der Vorstadtschleuse fertiggestellt, die Häupter in Angriff genommen und das Unterhaupt annähernd vollendet. Außerdem ist die hölzerne Notbrücke oberhalb der Schleusenanlage errichtet worden. 1908 wurde das Oberhaupt vervollständigt und die südliche Kammerwand ausgeführt, die Tore und Schützen eingebaut, sowie die Brücke und die Uferbefestigung oberhalb der Schleusenanlage hergestellt. Im Frühjahr 1909 wurden dann die Restarbeiten und die Baggerungen in den Vorhäfen erledigt. Am 30.06.1909 konnte das fertige Bauwerk durch den Regierungspräsidenten in Potsdam bei einer Bereisung der Märkischen Wasserstraßen durch die Schifffahrtkommission dem Verkehr übergeben werden.

   

Verlag: unbekannt, Foto: unbekannt

Baugrube der Schleppzugschleuse, rechts im Bild die äußere Kammerwand der alten Vorstadtschleuse,

Karte am 24.09.1907 gelaufen, Slg. H. M. Waßerroth

Der Kartentext hierzu lautet neben privatem: >.... Auf dieser Karte siehst du die eine Hälfte unseres Schleusenumbaues. Neben diesem befindet sich die alte Schleuse. ....<

    

An Schwierigkeiten hat es bei der Ausführung der Schleppzugschleuse nicht gefehlt. Beinahe der ganze Bau bestand aus einer Kette von Hindernissen. Sie begannen schon bei der an die Trockenlegung der Vorstadtschleuse gebundenen Teilausführung im Winter 1904/05. Der ganze Schütt- und Stampfbeton musste während der Wintermonate eingebracht werden. Hierzu kam, dass der Wasserstand der Baugrube, in die der Schüttbeton zu verbauen war, 4 m tiefer lag als das durch den starken Straßendamm abgehaltene Oberwasser. Dadurch bildeten sich im Schüttbeton zwei sehr starke Quellen, deren Verschließung nur mit größter Mühe gelang.

Die Arbeiten im Herbst 1906 an der nördlichen Kammerwand, der Trennungswand im Unterwasser gestalteten sich ebenfalls besonders schwierig, der ganze Schifffahrtbetrieb zur Vorstadtschleuse von 100 bis 140 Fahrzeugen täglich musste an der Baustelle vorbei geführt werden und durfte nicht gestört werden. Dies war sehr häufig, besonders bei Wind, ein Nachteil. Hierzu kam, dass die Beförderung der Baustoffe vom Land zur Baugrube im Wasser sehr umständlich und langwierig wurde und auch einige Unglücksfälle zur Folge hatte.

Die Arbeiten des ganzen Jahres 1907 litten unter einem Sommerhochwasser von einer Höhe und Dauer, wie es die Havel seit Beginn der Pegelbeobachtungen von 1810 in dieser Jahreszeit noch niemals erreicht hatte. Dadurch reichten nirgends die Umfassungsspundwände in ihrer Höhe aus. Man musste überall erhöhen und diese Hilfsbauten monatelang (Juli bis September) sorgfältig überwachen.

Bei Herstellung des Unterhauptes und eines Teiles der südlichen Kammerwand wurde wider Erwarten eine starke Tonschicht sowie Steine im Untergrund angetroffen, die die Rammarbeiten sehr erschwerten, zum Teil selbst unter Verwendung von Spülbetrieb beinahe ganz unmöglich machten. Es kam vor, dass am Tage nur einzelne Bohlen gerammt werden konnten. Dadurch ließ die Dichtheit der Spundwände natürlich sehr zu wünschen übrig. Beim Baggern lief dann der Sand und Wasser durch die Spundwandfugen in die Baugrube, so dass auf der ganzen Landseite kostspielige und langwierige Dichtungen aus Faschinen und Sandsäcken hergestellt werden mussten, um die Bodenbewegungen zum Stehen zu bringen. Allein 14.000 Sandsäcke sind auf diese Weise zu Dichtungszwecken verbraucht worden. Im Unterhaupt war man sogar bei den Rammarbeiten in Höhe der Betonsohle auf einen großen Tonschieferblock gestoßen, ohne es zunächst zu merken. Erst beim Bodenaushub, als die Dichtung auch mit Sandsäcken und Faschinen nicht standhielt, und dann sogar mehrere Meter vollständig mürbe gerammte, abgebrochene Spundwände mit dem Greifer der Bagger zutage gefördert wurden, klärte sich das Rätsel auf. Eine nachträglich neben der Holzspundwand eingerammte eiserne Spundwand brachte hier endlich Stillstand in die Bodenbewegung. Bei den weiteren Förderungsarbeiten gelang es dann, den durch die eisernen Spundwände abgesprengten, etwa 1,5 m3 großen Teil eines Findlings, der in die Baugrube ragte, zutage zu fördern.

   

Foto: unbekannt

Südliche Trennungsspundwand im Unterhaupt, Slg. H. M. Waßerroth

     

Der Aufbau der stählernen Brücke musste von einem Gerüst aus geschehen, dessen Unterkante nicht niedriger liegen durfte als die frühere Vorstadtschleusenbrücke. Da auch die Unterkante der endgültigen Brücke mit Rücksicht auf die benachbarten Straßen nicht höher gelegt werden konnte, musste die Brücke nach ihrem Zusammenbau mittels hydraulischer Pressen um die Höhe des Gerüstes, etwa 60 cm, auf die Auflager abgesenkt werden. Dabei hatte einer der Arbeiter nicht auf das vom Betriebsingenieur gegebene Haltezeichen geachtet, so dass die Senkung an einem Widerlager um einige Millimeter größer war als an den übrigen. Dadurch neigte sich der eine Hauptträger etwas nach innen, wodurch die sechs Schrägen und Senkrechten in der Mitte des oberen Windverbandes ausknickten. Sie mussten ausgewechselt werden, bevor die Brücke ihre richtige Lage erhalten konnte.

Berücksichtigt man neben diesen andauernden Schwierigkeiten noch den Umstand, dass die Lagerplätze sehr beengt und verstreut lagen und dass der durch die Vorstadtschleuse gehende rege Schiffsverkehr von über 100 Fahrzeugen täglich nicht durch die Bauarbeiten gestört werden durfte, lässt sich leicht ermessen, dass die Ausführung der Schleppzugschleuse kein einfaches Unterfangen und die Einhaltung des Bauplanes nicht immer leicht war.

   

Nach Inbetriebnahme der Schleppzugschleuse ist der Schleusenbetrieb an der Vorstadtschleuse in der Weise geregelt worden, dass vorwiegend der in Schleppzügen fahrende Durchgangsverkehr die Schleppzugschleuse benutzt, während der örtliche Verkehr und die Schifffahrt von und zur Beetzsee-Riewendsee-Wasserstraße, die jährlich nur einige tausend Fahrzeuge betrug, sowie sonstige einzeln fahrende Schiffe nach wie vor durch die alte Vorstadtschleuse fahren.

In die Schleppzugschleuse fuhren damals die Schleppzüge langsam mit Dampfkraft ein. Sobald der dritte Kahn mit dem Steuer das Haupt durchfuhr, wurde die Verbindung zwischen ihm und dem vierten Kahn gelöst, der dritte Schleppkahn sodann möglichst schnell mittels der an den Häuptern angebrachten seitlichen Poller seitwärts verholt und gebremst, worauf die drei letzten Kähne neben den ersten vorbei in die Schleuse einliefen. Die Schiffer und Schleusenwärter mussten, sobald der vierte Kahn das Schleusenhaupt berührt, durch Ziehen an den Haltekästen und Treideln von den Schleusenmauern aus kräftig nachhelfen. Das Einfahren der ersten Hälfte des Zuges dauerte durchschnittlich etwa 7 bis 8 Minuten, das der zweiten Hälfte etwa 10 bis 11 Minuten. Auf diese Weise nahm die Einfahrt in günstigen Fällen 18 Minuten, meistens aber länger, vielfach bis 25 und 30 Minuten Zeit in Anspruch. Das Öffnen der Tore dauerte je etwa 1½ bis 2 Minuten, das Füllen und Entleeren je nach dem vorhandenen Gefälle einschließlich Öffnen der Schützen 4 bis 10 Minuten.

Das Ausfahren gestaltete sich etwas günstiger als das Einfahren, weil keine Hilfe von Hand weiter nötig war als die, um den vierten Schleppkahn möglichst schnell aus seiner seitlichen Stellung hinter den dritten Kahn zu bringen, damit das Ankuppeln rechtzeitig und ordnungsgemäß erfolgen konnte. Die Dauer der Ausfahrt lag im Mittel bei 14 Minuten. Eine ganze Schleusung dauerte also unter günstigen Umständen bei 1,6 m Wasserwechsel etwa 46 Minuten, meist jedoch zwischen 50 und 60 Minuten. Als mittlerer Wert konnte 54 Min. angenommen werden. Unter dieser Voraussetzung ergab sich eine tägliche Leistungsfähigkeit der neuen Schleppzugschleuse von

20  Schleusungen bei 18 stündiger Betriebszeit und

27  Schleusungen bei 24 stündiger Betriebszeit

während die alte Vorstadtschleuse in den entsprechenden Zeiten 27 und 36 Schleusungen leistete. Nimmt man an, dass durch die Schleppzugschleuse nur große Fahrzeuge einschl. der Dampfer und durch die Vorstadtschleuse, die drei kleine Finowkähne fasst, nur Finowkähne fahren, so ergab sich als tägliche Leistungsfähigkeit der Brandenburg-Vorstadtschleusen:

140 +   81 = 221 Fahrzeuge bei 18 und

189 + 108 = 297 Fahrzeuge bei 24 stündigem Betrieb. Der beobachte Tagesverkehr zu Zeiten größten Andranges hatte 200 bis 210 Fahrzeuge, ganz ausnahmsweise einmal 221 Fahrzeuge betragen. Darunter befanden sich jedoch immer 60 % kleine Kähne, während in der obigen Annahme nur 30,5 % Finowkähne enthalten sind.

    

Die Baukosten haben im Ganzen 930.000 Mark betragen, davon entfielen auf das eigentliche Bauwerk 639.000 Mark, einschließlich rund 50.000 Mark für die im Eigenbetrieb unterhaltene Wasserhaltungsanlage, auf die Brücke einschl. Notbrücke 160.000 Mark, auf die Herstellung der Vorhäfen 60.000 Mark, die übrigen Kosten sind für Grunderwerb, anteilige Straßenbaukosten und Anliegerbeiträge und dergleichen aufgebraucht worden.

Die Ausführung der Baggerarbeiten am Schleusenbauwerk erfolgte im Eigenbetrieb, so auch die Wasserhaltung während der ganzen Bauausführung, die Ramm-, Erd-, Beton- und Maurerarbeiten waren der zu dieser Zeit noch existierenden Tiefbaugesellschaft mbH. in Berlin, die Herstellung des stählernen Überbaues der Straßenbrücke der Firma J. Golinow u. Sohn in Stettin, und die Baggerarbeiten in den Vorhäfen der Firma Leymann in Bremen übertragen.

Interessant ist das seiner Zeit gezogene Resümee:

Wenn auch den Bedürfnissen der Landwirtschaft oberhalb und bei Brandenburg sowie der Schifffahrt bei Brandenburg weitestgehend Rechnung getragen wurde, so konnte es doch nicht ausbleiben, dass bei derartigen einschneidenden Veränderungen und Eingriffen in die örtlichen Verhältnisse auch alle anderen beteiligten Interessentengruppen Veränderungen erleiden mussten, von denen sie selbst Schädigungen oder nachteilige Beschränkungen ihrer Geschäfte herleiten zu dürfen glaubten. Von diesen seien die Brandenburger Müller genannt, die behaupteten, durch die schnelle Absenkung des Oberwassers im Frühjahr eine Verringerung ihrer Wasserkräfte zu erleiden, oder die Brandenburger Fischer, die durch die Veränderung der Wasserführung bei Brandenburg eine Abnahme ihrer Fischereierträge zu erleiden meinten. Die zur Klärung dieser Ansprüche erforderlichen umfangreichen Feststellungen, Maßnahmen und eingehenden Versuche hatten mehrere Jahre in Anspruch genommen. Sie ließen aber die Hoffnung berechtigt erscheinen, dass bei entsprechender Rücksicht in der Handhabung der neuen Stauanlage sowie bei der Regelung der Schifffahrt eine Benachteiligung jener Interessentengruppen so gut wie vollständig vermieden werden konnte.

     

Blick von der alten Schleusenbrücke auf die beiden Schleusenkammern und der Seiltreidelanlage von 1950, Aufnahme vor 1967, © Ernst Stüwer, Quelle: OstCola

   

Die zweite von 1906 bis 1909 gebaute Schleuse sollte vornehmlich Schleppzüge im Ganzen das Passieren der Anlage in der Krakauer Vorstadt ermöglichen und zeitraubende Einzelschleusungen von Kähnen verhindern. Außerdem ging die Schifffahrt immer mehr weg vom Treideln hin zu modernen Antrieben, zu Schleppzügen gezogen von einem Dampfschlepper, später auch mit Dieselantrieb.

Nach Beseitigung der Kriegsschäden folgten in den 1950er und 1960er Jahren Modernisierungen an den Anlagen der beiden Schleusen. Die Handantriebe der Anlagen für den Schleusenbetrieb wurden elektrifiziert und die Schleppzugschleuse erhielt eine Seiltreidelanlage, um das Schleusen größerer Schleppzüge zu vereinfachen und zu beschleunigen. Anfang der 1960er Jahre war diese Treidelanlage allerdings durch den technischen Fortschritt (Motorgüterschiffe mit eigenem Antrieb) bereits überholt.

Beginnend mit dem Neubau der Schleusenbrücke als Balkenbrücke aus Stahlbeton, Fertigstellung am 30.11.1967, begann eine Rekonstruktion der gesamten Schleusenanlage. Die weitere Zunahme der Schifffahrt und das Alter der nördlichen Kammerschleuse von 1882 machten einen Neubau notwendig. Im Jahr 1970 wurde die neue Spundwandschleuse mit massiven Häuptern auf der Nordseite (Nordkammer) fertiggestellt. Als Verschlüsse dienen nun Stahlstemmtore mit hydraulischen Antrieben und Torschützen zum schnelleren Füllen und Leeren der Schleusenkammer. Die neue Schleusenkammer wurde gegenüber ihrer Vorgängerin etwas nach Westen versetzt und verlängert. Sie hat nun eine Länge von 170 m und eine Breite von 12,10 m. Beide Schleusentore haben die gleiche Breite wie die Schleusenkammer. Neben dem Neubau der Vorstadtschleuse wurden die Betriebsanlagen erneuert und ein zentraler Steuerstand zwischen beiden Schleusenbecken errichtet. Gleichfalls sind die Schleusenvorhäfen erweitert und ausgebaut worden. Alle Arbeiten fanden ihren Abschluss mit der feierlichen Übergabe am 30.10.1970..

Ab 1980 wurden weitere Modernisierungsarbeiten durchgeführt. Rechnung tragend der immer größer werdenden Schiffe und dem Ausbau der Unteren Havel-Wasserstraße wird für die ehemalige Schleppzugschleuse (heute Vorstadtschleuse - Südkammer) ebenfalls ein Neubau geplant im "Verkehrsprojekt 17 Deutsche Einheit".

Vom Steuerstand der fortan nur noch Vorstadtschleuse genannten Anlage werden auch die beiden Klappen der nahe gelegenen Stimmingsarche fernbedient.

    

Foto: unbekannt

Aufnahme der Schleusenanlage, hinten die Mündung des Silokanals, Quelle: Wasserstraßen Amt Brandenburg

      

aus verschiedenen Quellen

bearbeitet und ergänzt von H. M. Waßerroth

CC BY-NC-ND 3.0 de

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Vers. 1.1.0. vom 18.09.2018

© Harumi Michelle Waßerroth